Die kranke Ratte - Lähmungen

Es kann vorkommen, dass Ratten an einer Parese oder Paralyse (teilweise bzw. gänzliche Lähmung) der Hintergliedmaßen erkranken. Diese Krankheit bricht häufig nur bei älteren Ratten aus, Jungtiere sind selten betroffen. Da viele Ratten schon früh sterben, hat diese Erscheinung im allgemeinen weniger häufig die Chance, sich zu manifestieren und ist daher auch nicht so bekannt.

Die Erkrankung beginnt schleichend. Erste Anzeichen sind ein "Schwinden" der Muskeln (Dystrophie) an den Hintergliedmaßen. Die Kraft in den Hinterbeinen lässt nach.

Nach geraumer Zeit scheint die Lähmung rasch fortzuschreiten und die Ratte kann immer größere Probleme beim Laufen bekommen. Das kann sich soweit verschlimmern, dass das Tier die Hinterbeine überhaupt nicht mehr bewegen kann. Bei einigen erkrankten Tieren kann die Lähmung jedoch auch ab einem gewissen Zeitpunkt stagnieren, also auf einem erreichten Niveau stehenbleiben.

Für Ausfälle der Hintergliedmaßen können natürlich auch andere Ursachen verantwortlich sein, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen, wie etwa eine Verletzung der Wirbelsäule (der Tierarzt sollte eine Röntgenaufnahme anfertigen) oder z. B. Schädigungen des Gehirns, etwa durch einen Schlaganfall, die jedoch einseitige Lähmungen nach sich ziehen können.

Inwieweit eine Entzündung oder ein Tumor im Bereich der Wirbelsäule zu einer Lähmung beitragen oder diese auslösen kann, ist nicht bekannt, obwohl bei Laborratten mit Lähmungen der Hinterbeine zumindest eine gleichzeitig existierende Entzündung an der Wirbelsäule diagnostiziert wurde.

Eine hochdosierte Vitamin B-Gabe ist zu empfehlen. Der Rattenhalter kann seiner Ratte 3 x täglich Vitamin-B-Tropfen, vermischt mit sehr wenig Fruchtjoghurt verabreichen (z. B. Polybion N-Tropfen). Die bisher empfohlenen Bryonon N-Tropfen werden nicht mehr hergestellt, ersatzweise können Polybion N-Tropfen verwendet werden). Sehr gut eignet sich auch der Vitamin B-Komplex Bevitasel-HK.

Sofern der Verdacht einer Nervenschädigung besteht, ist es sinnvoll, zusätzlich Vitamin B 12 und B 1 zuzuführen (Polybion enthält die Vitamine B1, B2 und B6, (Bei Mangel an B 12 kann es u.a. zu Schädigungen des Nervensystemes, Koordinationsstörungen und zu Degenerationen des Rückenmarks kommen, Mangel an B 1 kann durch Anhäufung von Ketonsäuren u. a. zu Schäden im Gehirn führen). Beide Präparate können sowohl injiziert als auch oral eingegeben werden. Zu beachten ist, dass per Injektion 0,5 ml B 12 ausreichen, bei einer oralen Verabreichung die doppelte Dosis gegeben werden muss.

In einigen Fällen hat auch eine Kortisonbehandlung leichte Besserung erzielt. Der Tierarzt kann nach einer Diagnose die entsprechenden Medikamente verordnen (z.B. und u.a. Metacam). Er könnte einen Behandlungsversuch mit Selen (findet u. a. Verwendung zur Behandlung von Muskelschwäche) versuchen. Es sollte injiziert und nach 2 bis 4 Wochen wiederholt werden .

Mycoplasma neurolyticum

kann z.B. bei (experimenteller) Infektion Lähmungen hervorrufen (Behandlung mit Baytril). Soweit es sich jedoch um die zuerst beschriebene Lähmung handelt, die dem Tier keine Schmerzen verursacht, gibt es keine erfolgversprechende Therapie. Bei experimenteller Infektion mit M. neurolyticum zeigen Mäuse neben inapparentem Verlauf mitunter Symptome der Rollkrankheit ("rolling disease"), Ratten neben Paralyse (Lähmung), Ödeme und Bewusstseinsstörungen.

Inapparent bedeutet, dass eine Infektion ohne Symptome verläuft. Der Erreger vermehrt sich normal, ist aber nicht krankmachend

Bei einer natürlichen Infektion (ärogen, also mittels Tröpfcheninfektion oder per ora = durch den Mund) kommt es hin und wieder zu Bindehautentzündungen und Arthritis

Mycoplasma arthritidis

tritt bei Mäusen und Ratten latent auf.

Latent bedeutet, dass die Infektion über eine gewisse Zeit ruht. Der Erreger ist zwar immer noch im Körper vorhanden, vermehrt sich aber nicht mehr. Eine latente Infektion kann aber reaktiviert werden und der Erreger beginnt sich wieder normal zu vermehren. Eine latente Infektion ist ebenfalls symptomlos, aber nicht unbedingt weil der Erreger harmlos ist, sondern weil er sich zur Zeit im Körper nicht vermehrt. Das klassische Beispiel einer latenten Infektion ist die Fieberblase (Herpes simplex 1) beim Menschen. Das Virus ruht die meiste Zeit (keine Symptome) aber wenn des reaktiviert wird (z.B. durch ein Fieber) dann entwickelt sich eine Fieberblase.

Vereinzelt kann es jedoch zu klinischen Symptomen wie Arthritis oder Abszessen in der Unterhaut kommen, es können Gleichgewichtsstörungen auftreten, sowie akuter oder chronischer Schnupfen.

Die Infektion erfolgt wie bei M. neurolyticum mittels Tröpfcheninfektion oder peroral.

M-arthriditis ist human-pathogen, was so viel bedeutet, dass Menschen sich beim Tier mit dieser Erkrankung anstecken können--->>> Zoonosen

Wenn die Ratte an keiner weiteren, schwerwiegenden Erkrankung leidet, besteht keine Notwendigkeit, sie wegen der Lähmung einzuschläfern. Man kann den Käfig behindertengerecht einrichten, wie zum Beispiel die unterste Etage mit Futter- und Wassernapf und einem Schlafplatz ausstatten.   Kann sie ihre Hinterbeine noch leicht bewegen, können ihr anstelle von Leitern "Rampen" angeboten werden. Dazu gut geeignet sind beschichtete Bretter, die mit Velourteppichboden beklebt werden können, damit die Ratte nicht abrutscht. Der Teppichbelag kann einfach von Zeit zu Zeit ausgewechselt werden. Sollte die Ratte Probleme beim Putzen haben, würde ich empfehlen, sie täglich mehrmals im Genitalbereich mit einem feuchten Tuch zu reinigen.

Baden der gelähmten Ratten ist praktisch nur bei besonders starker Verschmutzung nötig, danach gut abtrocknen, an einem warmen Ort trocknen lassen oder sanft trockenföhnen, ansonsten genügt es, sie mehrmals am Tag mit einem feuchten Tuch zu reinigen. Es ist auch unbedingt darauf zu achten, ob die Ratte noch in der Lage ist, Darm und Blase selbständig zu entleeren.

Für gesunde und nicht behinderte Tiere ist ein Bad nur dann erforderlich, wenn sich die Ratte extrem verschmutzt hat und ihr Fell nicht selbst ausreichend reinigen kann. Besonders vorwitzige und übermütige Tiere können durchaus einmal in eine Schale mit Pudding fallen, wenn ihr Mensch nicht aufpasst, oder eine besonders verlockende Pflanze wird ausgegraben und die Erde klebt am Fell (Vorsicht vor giftigen Pflanzen!).

Bitte beim Bad im lauwarmen Wasser keine "Duftwässerchen" verwenden. Geeignet sind milde Baby- oder Hundeshampoons, die jedoch sparsam eingesetzt werden sollten. Ansonsten betreiben unsere Nager sehr intensive Körperpflege und brauchen keine zusätzlichen Pflegemittel. Wer ausreichend Platz hat, kann seinen gesunden und nicht körperbehinderten Ratten gerne ein größeres Badegefäß anbieten. Die Tiere sollten aber immer frei entscheiden können, ob sie es nutzen wollen. Bitte auf keinen Fall die Ratten in eine mit Wasser gefüllte Badewanne werfen, das kann zu einem Schock führen und dazu, dass das Tier in Zukunft sogar Angst vor Wasser hat.

Es gibt Ratten, die sich zu regelrechten "Wasserratten" entwickeln, andere sind (und bleiben oft auch) ausgesprochen wasserscheu. Das sollte man akzeptieren.

Eine empfehlenswerte Höhe des Bassins beträgt etwa 8-10 cm. Der Bottich sollte einen festen Stand haben und kippsicher angebracht werden.

Das Wasser (temperiert und nicht zu kalt!) kann den Ratten bis an den Bauch oder etwas darüber reichen. Werden tiefere Schwimmbecken angeboten, muss der Einstieg für die Tiere mittels Leitern o. ä. leicht zugänglich, ebenso ein sicherer Ausstieg aus dem Becken möglich sein. Ist das Badebecken groß genug, kann man in der Mitte eine kippsichere und rutschfeste "Ruheinsel" anbringen, die Plattform sollte aus dem Wasser ragen, damit die Ratten darauf Platz nehmen können.

Den Aufenthaltsbereich gelähmter, bzw. körperlich behinderter Ratten empfehle ich mit Küchentüchern auszulegen, die, je nach Verschmutzung, mehrmals am Tag erneuert werden sollten. So wird der Urin gleich "aufgesaugt" und die Ratte weniger verschmutzt. Da Ratten mit gelähmten Hinterfüßen ihre Ohren nicht mehr selbst putzen können, sollten diese regelmäßig gereinigt werden, da es sonst durch die Verschmutzung zu einer Ohrentzündung kommen kann.

In der Praxis funktioniert das gut mit einem Streichholz, umwickelt mit etwas Watte, darauf z. B. ein Tropfen Penatenöl. Beim Tierarzt gibt es auch spezielle Tropfen zur Reinigung der Ohren. Ungeübte sollten sich die Prozedur der Ohrreinigung vom Tierarzt zeigen lassen, da es leicht zu Verletzungen im Innenohr kommen kann. Gelähmte Ratten können sich auch nicht mehr selbst putzen oder kratzen, es ist empfehlenswert, die Haare mit einer Zahnbürste oder einem weichen Handwaschbürstchen zu kämmen, dabei wird gleichzeitig die Haut "massiert", was wiederum die Duchblutung anregt.

"Plötzlich" auftretende Lähmung beider Hintergliedmaßen

Wenn die Ratte sonst keine weiteren Symptome zeigt, gibt es keine spezifische Krankheit, die diese Symptome verursacht. Der Rattenhalter sollte so schnell wie möglich einen Tierarzt konsultieren, um die Situation genau abzuklären. Ein Röntgenbild würde helfen, eine Verletzung auszuschließen. Die Therapie hängt dann von der Diagnose ab. Wichtig ist, dass in der Zwischenzeit die Blase regelmäßig geleert wird (wenn die Blase spürbar ist, mit sanftem Druck entleeren), sofern dies der Ratte ohne Hilfe nicht mehr möglich ist. Es ist also ratsam, das Tier genau zu beobachten!

Hier (eventuell für den mit Kranhkeiten bei Ratten nicht so versierten Tierarzt) als Hilfestellung einige mögliche Differenzialdignosen:

Trauma

Verletzung der Wirbelsäule kommt als eine der wahrscheinlichsten Ursachen in Betracht.

Kompression des Rückenmarkes

Durch einen Tumor (langsames Auftreten) oder einem Bluterguss im Wirbelkanal (plötzliches Auftreten). Theoretisch wäre auch ein Bandscheibenschaden möglich, bei einer Ratte aber weniger vorstellbar.

Embolie

Ein Blutgerinnsel, das sich gebildet hat (z. B. im Herzen) und danach weggeschwemmt wurde und sich in der Aorta (Hauptschlagader) verfangen hat. Der Blutzufluss zu den Hinterbeinen ist dadurch unterbrochen und das Tier ist gelähmt. Eher unwahrscheinlich, da es ein sehr großes Blugerinnsel braucht, um die Hauptarterie zu verschließen.

Schlaganfall

Möglich, aber noch unwahrscheinlicher als die Embolie. Es würde zudem nicht eine beidseitige Lähmung zu erwarten sein, und es sollten zusätzlich noch Verhaltensänderungen zu sehen sein.

Metabolische Erkrankung

Bei anderen Tierarten beschrieben (Vitamin E, Selen, Calcium-Mangel). Jedoch wäre in diesem Fall ein schleichendes Auftreten zu erwarten und nicht eine "plötzliche, von einem Moment zum anderen auftretende Lähmung.

Eine Hinterhandlähmung ist nicht tödlich. Der Rattenhalter muss sich einfach die Lebensqualität des Tieres gut überlegen. Die häufigste Komplikation ist Autotomie oder Automutilation (Amputation einer eigenen Gliedmaße). Da die Tiere kein Gefühl mehr haben und oft ein Kribbeln in den Zehen und im Schwanz fühlen (wie "eingeschlafen"), beginnen sie, die Hinterbeine und den Schwanz zu benagen. Das führt zu offenen (nicht schmerzhaften) Wunden und Infektionen.

Behandlungsvorschläge wie bei langsam beginnender Lähmung.

Achtung: Bei einer Rückenmarksinfektion, verursacht durch das Eindringen von Bakterien, z. B. bei einer Schwanzverletzung, können ebenfalls Lähmungserscheinungen auftreten!