Die kranke Ratte - Erste Hilfe bei Ohrentzündungen

"Schiefkopf"/Rollkrankheit

Symptome: plötzliche Kopfschiefhaltung (mitunter auch Schiefhals genannt), "wackliger" Gang, seitliches "Wegkippen" beim Laufen, Desorientierung, Drehen um die eigene Körperachse könnten auf eine Ohrentzündung hindeuten, die typisch für Mykoplasmen und Pasteurellosen ist (auch bei einem Schlaganfall und bei Gehirntumoren, die jedoch weniger häufig sind, treten ähnliche Symptome auf).

Das Ohr besteht im Prinzip aus 3 Teilen:

Der äußere Gehörgang, Mittelohr und Innenohr.

Die drei Teile sind durch Membranen voneinander getrennt (Trommelfell). Eine Mykoplasmeninfektion betrifft in erster Linie das Mittelohr. Es kommt meist zu einer eitrigen Entzündung. Wenn die Infektion schlimmer wird, greift sie auf das Innenohr über. Dort liegt das Gleichgewichtsorgan und wenn dieses befallen wird, kommt es zu der typischen Kopfschräghaltung und den beschriebenen Koordinationsproblemen.

Das äußere Ohr ist nicht betroffen, deshalb ist bei einer Untersuchung des Ohres durch den Tierarzt auch nichts erkennbar.

Die Krankheit schreitet rasch voran und im späteren Verlauf, in manchen Fällen bereits gleich zu Beginn der Erkrankung, können die Ratten nicht mehr richtig greifen und ihr Futter nicht mehr festhalten. Manche Tiere können (vorübergehend) überhaupt nicht mehr ohne Hilfe Nahrung aufnehmen, es fällt ihnen mitunter schwer, selbst Brei aus einer Schale zu essen. Bis eine medikamentöse Behandlung erste Wirkung zeigt, sollte die Ratte vorübergehend "gefüttert" werden (sh. dazu: "Krankenstation""wie ernähre ich eine kranke Ratte").

Bei dieser Erkrankung ist Enrofloxacin (Baytril) das Mittel der Wahl! Tetrazykline sind eine andere Möglichkeit, aber weniger gut geeignet.

Vitamin B hoch dosiert ( Die bisher empfohlenen Bryonon N-Tropfen, sowie Polybion werden inzwischen beide nicht mehr hergestellt, ersatzweise kann ein B-Komplex, der beim Tierarzt erhältlich ist, verwendet werden), sollte unbedingt parallel zum Antibiotikum verabreicht werden. Da Polybion nur die Vitamine B1, B2 und B6 enthält, ist eine zusätzlich Vitamin B 12 und evtl. eine erhöhte B 1-Gabe sinnvoll (bei Mangel an B 12 kann es u. a. zu Schädigungen des Nervensystemes und Koordinationsstörungen kommen, Mangel an B 1 kann durch Anhäufung von Ketonsäuren u. a. zu Schäden im Gehirn führen). Der gesamte Vitamin B-Komplex kann vom Tierarzt injiziert oder der Ratte oral gegeben werden, wobei Vitamin B 12 oral in doppelter Dosis verabreicht werden muss, damit eine ausreichende Wirksamkeit gegeben ist (Injektion 0,5 ml, oral 1 ml).

Als einziges wasserlösliches Vitamin hat Cobalamin (B12) eine gro&zlig;e Speicherfähigkeit im Körper (bis zu 5 Jahre). Eventuell wird der Tierarzt Kortison empfehlen. Bei meinen erkrankten Ratten war jedoch die Verabreichung von Enrofloxacin und ein Vitamin B-Komplex ausreichend.

Bei dieser Erkrankung ist das Gehirn eher selten betroffen, da es besser geschützt ist. Wenn es betroffen ist, so kommt es zu einer Hirnhautentzündung und schweren Symptomen. Die Kopfhaltung ist normal, aber das Tier ist stark gedämpft, oft fiebrig, frisst nicht und ist sehr müde Eine Heilungsgarantie gibt es nicht, aber die Heilungschancen sind umso besser, je früher die Behandlung beginnt und je weniger Organe betroffen sind. Deshalb ist immer Eile geboten. Grundsätzlich ist es am schwierigsten, Antibiotikumin in das Gehirn zu bringen, aber auch das Ohr ist relativ schlecht erreichbar.

Baytril wird als Basisdosierung mit einer Gabe von 2,5 mg/kg KGW (Körpergewicht) 2x täglich empfohlen (in 1 ml Lösung Baytril (2,5 %ig) sind 25 mg Wirkstoff enthalten).

Bei sehr schweren Infektionen oder wenn in einer Population schon einmal eine Unwirksamkeit gegen Enrofloxacin bei der Basisdosierung aufgetreten ist, sollte bis zu 10 mg/kg KGW 2x täglich dosiert werden. Dieser Dosisbereich ist vollkommen sicher bei Ratten. Wichtig ist, dass zweimal pro Tag behandelt werden muss. Ratten und andere kleine Säuger (Maus, Gerbil, Hamster etc.) scheiden aufgrund der höheren Stoffwechselleistung den Wirkstoff schneller aus als große Säugetiere (Katze, Hund).

Da nicht abzuschätzen ist, ob das Gehirn mitbetroffen ist und Baytril die Blut-Hirn-Schranke (BHS) überwindet, empfiehlt sich bei Verdacht eine Dosierung zwischen 5-7 mg/kg KGW zu verabreichen.

Je nachdem wie stark die Symptome sich zeigen ist es u. U. sogar ratsam, eine sehr hohe Dosis einzusetzen (10 mg/kg KGW).

Ist die Krankheit bereits weiter fortgeschritten, bekommt die Ratte ein ungeeignetes Medikament oder ist die Dosierung zu niedrig, sinken die Chancen auf Heilung rapide. Beginnt man zu spät mit einer entsprechenden Therapie, kann die Erkrankung sogar zum Tod führen. Die Ratten leiden dann unter schlimmsten Gleichgewichtsstörungen,können sich nicht mehr aufrecht halten, keine Nahrung mehr aufnehmen und müssen euthanasiert werden.

Bei rechtzeitiger Behandlung mit Baytril stehen die Chancen sehr gut. Es darf kein anderes Antibiotikum parallel dazu verabreicht werden. Ob der Einsatz von Kortison unbedingt erforderlich, bzw. ratsam ist, muss der Tierarzt von Fall zu Fall entscheiden. Meine (zum Teil schwer) erkrankten Ratten bekamen kein Kortison und wurden erfolgreich ausschließlich mit Entrofloxacin und Vitamin B behandelt. Unter Umständen behält die eine oder andere Ratte nach dem Ende der Therapie eine leichte Schiefhaltung des Kopfes. Wenn die Krankheit jedoch auf diesem Niveau bleibt, kommen die Tiere mit dieser leichten Behinderung meist sehr gut zurecht.

Die Krankheit kann unter Umständen erneut ausbrechen. Rechtzeitige erneute Antibiotikumgabe kann auch weitere Male erfolgreich sein.

Es ist wichtig, die Ratte weiter gut zu beobachten.

Warum bleibt oft nach der Behandlung mit Antibiotikum eine Schräghaltung des Kopfes zurück?

In der Regel verschwinden die Symptome, die durch die Entzündung verursacht wurden, nach der Abheilung wieder. War die Entzündung/Infektion aber stark genug, dass es zu Gewebeschädigungen gekommen ist, dann können Symptome, wie z.B. eine Neigung des Kopfes, für immer bleiben. In disesem Fall hat die Infektion vermutlich einen Teil der Sinneszellen im Innenohr zerstört. Diese werden nach Abheilung durch Narbengewebe ersetzt, die Sinneszellen wachsen jedoch nicht mehr nach. Dieses Narbengewebe kann die Funktion der Sinneszellen nicht erfüllen und es bleibt eine permanente Schädigung des Innenohrs.

Wegen dieser Schädigung gibt das Innenohr dem Tier falsche Informationen darüber, wo oben und unten ist und das Tier hält den Kopf entsprechend dieser falschen Information. Die Ratte "glaubt", sie hält den Kopf gerade.

Wenn diese Schädigung nur leicht ist, kann sie aber weiterhin normal gehen und kommt mit dieser leichten Behinderung gut zurecht. Ist die Schädigung sehr weit fortgeschritten, dreht sich die Ratte oft im Kreise (wiederum "glaubt" sie, geradeaus zu gehen). Im Extremfall kann das Tier überhaupt nicht mehr gehen, weil das Innenohr falsche Informationen gibt (siehe oben).

Antibiotika wirken auf bakterielle Infektionserreger und Kortison ist entzündungshemmend. Da eine bakterielle Infektion in der Regel eine Entzündung hervorruft, setzen manche Tierärzten oft beide Präparate in Kombination ein.

Das Antibiotikum bekämpft die Bakterien und das Kortison die Entzündung. Dadurch kommt es unter Umständen zu einer schnelleren Heilung. Wird das Antibiotikum alleine eingesetzt, so verschwindet die Entzündung erst nachdem die Bakterien alle tot sind. Der Nachteil der Kortisongabe ist, dass, wenn der Veterinär eventuell auf ein ungeeignetes Antibiotikum zurückgreift, die Bakterien nicht abgetötet werden. Dann können diese sich dank des Kortisons schneller und weiter im Körper ausbreiten, da Kortison nicht nur entzündungshemmend ist, sondern auch das Abwehrsystem des Körpers unterdrückt.

Die Entzündung ist ein Teil dieser Abwehr, kann aber in gewissen Fällen zu stark ausfallen und im Endeffekt dann den Körper schädigen. Da bei einer Schädigung des Zentralen Nervensystems (ZNS) oder einem Hirntumor mitunter ähnliche Symptome auftreten wie oben beschrieben, ist eine Diagnose immer nur eine Verdachtsdiagnose.

Liegt eine der erwähnten Erkrankungen vor, haben weder Antibiotika noch Kortison einen Einfluss auf die Krankheit.

Vestibularsyndrom?

Es ist erwiesen, dass Mykoplasmen und andere Atemwegserkrankungen (z.B. Pasteurellen) bei der Ratte eine Mittelohrentzündung auslösen können. Da diese Infektionserreger bei Heimtierratten sehr häufig zu finden sind ist anzunehmen, dass eine Kopfschräghaltung eigentlich immer auf eine Infektion mit einem dieser Erreger zurückzuführen ist. Bezeichnend ist es auch, dass bei Laborratten die frei sind von Mykoplasmen Kopfschräghaltung als Symptom fast nie zu sehen ist.

Wie berichtet, kommt es bei der Infektion zur Vereiterung des Mittelohres. Je nach Schweregrad greift dann die Infektion/Vereiterung auf das Innenohr über und legt dort das Gleichgewichtsorgan lahm. Dadurch erhält die Ratte falsche Information wo oben und unten ist und dreht den Kopf um ihn vermeintlich gerade zu halten. Die Gleichgewichtsstörung kann sich mitunter auch durch Nahrungsverweigerung und Speicheln äußern. Bei mildem Verlauf geht es den Tieren dennoch recht gut, sie wollen essen und trinken, schaffen das aber oft (vorübergehend) alleine nicht. Manchmal finden sie den Fressnapf nicht und/oder haben quasi verlernt, wie man ißt und trinkt. Deshalb sollten Ratten mit Gleichgewichtsstörungen schon recht bald unbedingt (vorübergehend) mit Brei aus der Spritze gefüttert werden (zusätzlich bitte immer eine Schale mit Brei zur Verfügung stellen).

Eine Behandlung zu diesem Zeitpunkt ist dennoch schwierig , da das Antibiotikum nur schwer bis in den Infektionsherd vorstoßen kann. Eiter und nekrotisches Gewebe dienen als Barriere und schützen die Bakterien vor dem Medikament. Wie ebenfalls schon an anderer Stelle erwähnt, kann die Behandlung oft nur verhindern, dass sich die Infektion über das Blut weiter im Körper ausdehnen kann. Deshalb ist es auch so wichtig, eine Ratte die auch nur ansatzweise den Kopf leicht schräg hält oder beim Laufen eine leichte Schräghaltung zeigt, sofort mit einem geeigneten Antibiotikum zu behandeln! Je früher eine Therapie erfolgt, desto höher die Chancen auf erfolgreiche Behandlung.
Wie erwähnt, bleibt die Vereiterung und die Gewebszerstörung oft bestehen und damit auch die Kopfschräghaltung. Solange die Infektion durch Antibiotika unter Kontrolle gehalten wird ist dieses Symptom alleine kein Problem für die Ratte. Eine vollkommene Heilung oder eine vollkommene Elimination dieser Bakterien ist in der Regel höchst unwahrscheinlich. Die Behandlung verzögert den Krankheitsverlauf aber kann ihn nicht rückgängig machen oder auf Dauer aufhalten. Trotzdem wurden schon viele Ratten erfolgreich mehrmals behandelt und die Tiere konnten noch viele Monate gut mir der Krankheit leben.

Bei Hunden und Katzen kann diese Erkrankung genetisch bedingt sein, durch einen Sturz ausgelöst werden, oder eben auch durch eine Ohrentzündung. Da mehrere Ursachen dafür verantwortlich sein können, spricht man bei Hunden zum Beispiel von einem Vestibularsyndrom.

Bei Ratten trifft das so nicht zu. In der Regel wird der Schiefkopf durch eine Infektion des Mittelohres ausgelöst (meist durch Mykoplasmen oder Pasteurellen) , wobei diese sich dann wie beschrieben auf das Innenohr ausbreiten kann und dadurch das Gleichgewichtsorgan befallen wird, deshalb kann man bei Ratten eigentlich nicht von einem "Vestibularsyndrom" sprechen, weil ein solches in der Regel mehrere Ursachen hat ( zum Beispiel HWS-Syndrom : ausgelöst durch verschiedene Ursachen, u.a. Rheuma, Muskelverspannungen, Degenerative Veränderungen usw).

Ohrmuschelentzündung

Bei einer Schwellung direkt unterhalb des Ohres (Ohrmuschel) könnte eine Entzündung (oder ein Tumor) der Zymbal Drüse vorliegen, die sich direkt unter dem Ohr befindet.

Liegt eine Infektion vor, ist eine Kortisongabe wenig sinnvoll. Diese kann jedoch auch sekundär sein, d.h., sie ist entstanden, nachdem ein (nekrotischer) Tumor durch die Haut gebrochen ist.

Oft sammelt sich Eiter an, der in Form einer übelriechenden Flüssigkeit meist unterhalb des Ohres, wahrscheinlich aus einer Kammer unter der Haut austritt. Eine regelmäßige Spühlung dieser Kammer mit Kamillentee, isotoner Kochsalzlösung oder einem milden Desinfektionsmittel ist zunächst hilfreich.

Die Flüssigkeit sollte mit einer Knopfsonde direkt in die Öffnung injiziert werden, so lange bis alles Material ausgespült ist. Wenn es sich nur um eine Infektion handelt, so wird die Kammer nach einiger Zeit von innen her zuwachsen. Wichtig ist, dass die Öffnung nach außen bis zum Schluss offen bleibt.

Mittelohrentzündung/ Eustachsche Röhre

Eine Rattenhalterin schrieb mir folgendes:

"Mein Tierarzt hat meiner Ratte in den Hals geschaut, dabei erkannte er, dass die Eustachsche Röhre gewölbt sei, was dafür spricht, dass meine Ratte eine Mittelohrentzündung hat."

Anmerkung Rattenzauber:

Die Eustachsche Röhre ist die Verbindung zwischen dem Mittelohr und dem Rachenraum. Dieser Kanal ist sehr klein und die Öffnung liegt weit hinten im Rachen und ist in der Regel nicht sichtbar. Der Kanal ist normalerweise geschlossen (kollabiert), deshalb muss man z. .B im Flugzeug schlucken oder gähnen, um den Druckausgleich im Ohr zu erzielen (diese Bewegung öffnet die Eustachsche Röhre).

Bei einer Mittelohrentzündung gibt es keine "Wölbung" der Eustachschen Röhre, diese verläuft außerdem im rechten Winkel zum Rachen und eine Wölbung wäre ohnehin nicht sichtbar! Eine Mittelohrentzündung kann nur durch eine Inspektion des Trommelfells festgestellt werden. Bei einer Ratte gestaltet sich dies sehr schwierig, da es meines Wissens kein Othoskop gibt, das klein genug ist, um in ein Rattenohr eingeführt werden kann.

Das häufigste Symptom bei einer Ohrentzündung ist eine Kopfschräghaltung.

Bei älteren, in ihrer Bewegung beeinträchtigten Ratten können durch Verschmutzung mangels entsprechender Körperpflege (Anhäufung von Zerumen = Ohrenschmalz) ab und an Ohrentzündungen (Otitis) auftreten (siehe dazu auch oben zu Schiefkopf). Sie können sich durch Ausfluss aus dem Ohr und unangenehmen Geruch bemerkbar machen, ebenso durch häufiges Kopfschütteln, und/oder durch Kopfschiefhaltung (eine Verletzung des Trommelfells ist nicht auszuschließen und sollte vom Tierarzt abgeklärt werden).

Das Ohr sollte mittels feinem Wattestäbchen zunächst gesäubert werden. Da das Innenohr leicht verletzt werden kann, vor allem wenn es sich um nervöse Ratten handelt, ist ein TA-Besuch häufig unumgänglich, damit ein entsprechendes Medikament, wie z. B. antibiotische Ohrentropfen verordnet werden kann. Ungeübte sollten sich die Prozedur der Ohrreinigung vom Tierarzt zeigen lassen, da es leicht zu Verletzungen im Innenohr kommen kann.

Ohrentzündungen können auch durch Mycoplasma pulmonis oder durch Streptokokken verursacht werden.