Blutwerte und Blutentnahme bei der Ratte

Es gibt diverse Blutentnahmemethoden bei der Ratte. Am einfachsten und ohne Narkose möglich ist die Punktion der Schwanzvene, der Schwanzarterie oder der Fußvene. Dabei kann meist eine Blutmenge von 50-80 Mikroliter gewonnen werden. Das genügt für eine serologische Untersuchung. Vor der Entnahme sollten die Haare in dem Bereich entfernt und die Haut mit einem Antiseptikum desinfiziert werden.

Etwas aufwendiger ist das Setzen eines intravenösen Katheters, wobei durch diese Methode allerdings mehr Blut gewonnen werden kann. Sie setzt aber auch etwas mehr Übung seitens des ausführenden tiermedizinischen Personals voraus. Die Tiere sollten vor dieser Art der Blutentnahme für ca 15 Minuten in einem Brutschrank (bei 37o Celsius) "vorgewärmt" werden, um den Blutfluss im Schwanz zu steigern (dies ist harmlos für das Tier).

Um für eine "komplette" Blutuntersuchung genügend Blut gewinnen zu können, muss die Ratte narkotisiert werden (Metofane oder Isoflurane). Das Blut wird dabei entweder von der Unterzungenvene entnommen oder "retrobulbär" (Anstechen eines Venengeflechtes hinter dem Augapfel). Beide Methoden sollten nur von geübten Personen durchgeführt werden!

Die retrobulbäre (auch fälschlicherweise retroorbital genannte) Blutentnahme hat, wenn sie korrekt durchgeführt wird, für das Tier viele Vorteile. Für die retrobulbäre Blutentnahme können Mikrohämatokrit-Kapillaren zur Anwendung kommen. Mit einen Korund (Glassschneider) wird die Kapillare angeritzt und dann abgebrochen. Dadurch entsteht eine frische scharfe Kante. Die Bruchkante muss schön glatt, im rechten Winkel und nicht verzackt sein, sonst wird eine zu große Wunde gesetzt und dies kann retrobulbaere Blutergüsse zur Folge haben.

Manche Tierärzte haben allerdings eine "Aversion" gegen scharfe Gegenstände in der Nähe des Auges und wählen aus ästhetischen Gründen eine andere Methode, welche aber für das Tier Komplikationen haben kann (Unterzungenvene, Herzpunktion, Abschneiden der Schwanzspitze).

Innerhalb eines Monats sollten einer 300g schweren Ratte nicht mehr als insgesamt 3-4 Milliliter Blut entnommen werden.

Detaillierte Beschreibung der Blutentnahme

Schwanzvene/arterie

(meist wird die untere Schwanzvene verwendet, die zusammen mit der Arterie verläuft und es werden beide Gefäße angeschnitten): Mit einem Skalpell oder einer Rasierklinge wird ein 2mm tiefer Schnitt bis aufs Blutgefäß gemacht. Das Blut tropft aus der Wunde und kann in einem Röhrchen oder mit einer Hämotokritkapillare aufgefangen werden. Vorteil: schnell, keine Narkose, minimale Fixation des Tieres. Nachteil: Schwanzhaut sehr derb, nur kleine Blutmenge (50-80 Mikroliter), Infektionsgefahr.

Fußvene (Vena saphena)

Mit einer Injektionsnadel wird die sichtbare Vene angestochen (das Tier muss dabei gut fixiert werden). Das Blut tropft aus der Wunde und kann in einem Röhrchen oder mit einer Hämotokritkapillare aufgefangen werden. Vorteil: schnell, keine Narkose, kleine Wunde. Nachteil: nur kleine Blutmenge (50-80 Mikroliter)

Schwanzamputation

Mit einem Skalpell oder einer Rasierklinge wird die Schwanzspitze (1-2mm) abgeschnitten. Das Blut tropft aus der Wunde und kann in einem Röhrchen oder mit einer Hämotokritkapillare aufgefangen werden. Vorteil: schnell, keine Narkose. Nachteil: große Wunde, Infektionsgefahr, nur kleine Blutmenge (50-80 Microliter), kann nicht wiederholt werden, da sonst Schwanzknorpel angeschnitten wird. NICHT EMPFOHLEN!

ACHTUNG: Diese Form der Blutentnahme wird, bzw. wurde ausschließlich in Labors angewandt und ist im Heimtierbereich keinesfalls erlaubt. Laut Tierschutzgesetz ist dies verboten, daher wird es offensichtlich auch in Labors inzwischen abgelehnt, bzw. sollte auf diese Weise kein Blut mehr gewonnen werden.

Schwanzvene

Ein intravenöser Katheter wird in die seitliche Schwanzvene eingeführt. Das Blut tropft durch den Katheter ab und kann in einem Röhrchen aufgefangen werden. Das Tier muss in einer Zwangsröhre fixiert werden und für große Blutmengen vorher 15 Minuten in einem Inkubator (37 Grad Celsius) vorgewärmt werden.

Vorteil: sauberste Lösung (keine Kontamination des Blutes), mittelgroße bis große Blutmenge. Nachteil: technisch schwierig, benötigt spezielle Geräte (Zwangsröhre, Inkubator), zeitaufwendig.

Zungenvene

In Narkose wird die Zunge herausgezogen und die Vene unter der Zunge mit einer kleinen Schere angeschnitten. Das Blut läuft an der Zunge entlang und kann in einem Röhrchen aufgefangen werden.

Vorteil: mittelgroße Blutmenge (0,5 ml). Nachteil: Narkose, braucht 2 Personen, Blut wird mit Speichel und eventuell Futterpartikeln gemischt, kann zu Bluterguss unter der Zunge führen, wenn nicht korrekt durchgeführt (Ratte kann nicht mehr fressen), große Wunde.

Retrobulbär

In Narkose wird eine Hämatokritkapillare im Augenwinkel eingeführt und am Augapfel vorbei wird der Venenkomplex im Innern der Augenhöhle angestochen. Das Blut tropft aus dem anderen Ende der Kapillare und kann in einem Röhrchen aufgefangen werden.

Vorteil: große Blutmenge (unbeschränkt, ein Tier kann auf diese Weise entblutet werden), Blut relativ kontaminationsfrei, keine Infektionsgefahr da keine äußere Wunde, kein Nachbluten. Nachteil: Narkose, kann zu Bluterguss hinter dem Augapfel und zur Verletzung der Harderschen Drüsen führen, wenn nicht korrekt durchgeführt.

Herzpunktion

In Narkose wird eine Injektionsnadel mit aufgesetzter Spritze unter dem Brustbein ins Herz eingefuehrt. Das Blut wird mit der Spritze abgezogen.

Vorteil: große Blutmenge (unbeschränkt, ein Tier kann auf diese Weise entblutet werden), Blut ist kontaminationsfrei. Nachteil: Narkose, Gefahr von Nachblutung in den Herzbeutel (kann zum Tod führen -> wird in der Regel nur als Eingriff überwiegend in Labors vorgenommen) NICHT EMPFOHLEN!

Generell: Einer Ratte sollte nicht mehr als 20% des Blutvolumens innerhalb von 4 Wochen entnommen werden. Das Blutvolumen einer Ratte beträgt ungefähr 7% des Körpergewichtes. Geschätztes Blutvolumen bei einer Ratte von 300 g: 20 ml

Alle Punktionen ohne Narkose sind etwas schmerzhaft. Je weniger der Tierarzt geübt ist, desto mehr Schmerzen werden verursacht. Die Fußvene eignet sich am besten, da die Haut dort wesentlich dünner ist als am Schwanz. Häufig gerinnt die geringe Menge des austretenden Blutes zu schnell, so dass erneut punktiert werden muss. Wenn vor der Blutentnahme die Kunststoffhülse der Kanüle entfernt wird, kann damit der vorzeitigen Gerinnung vorgebeugt werden.

Alle Punktionsmethoden geben nur wenig Blut und es kommt nicht selten vor, dass nicht genügend oder gar kein Blut gewonnen werden kann und dass an mehreren Stellen versucht werden muss. In einem Tierversuch, bei dem es wichtig ist, dass man die richtige Menge Blut an einem bestimmten Tag bekommt, werden diese Methoden wegen ihrer Unzuverlässigkeit gemieden.

Bei fachgerechter Anwendung durch eine geübte Person ist die retrobulbäre Methode für das Tier am sichersten (wird im Versuch häufig angewendet). Wir müssen uns dennoch die Frage stellen, inwieweit sie für unsere Ratten in Frage kommt. Von untalentierten Anfängern durchgeführt, kann es zu Komplikationen in Form eines Blutergusses kommen, im Extremfall kann ein solcher Bluterguss zum Verlust des Auges führen.

Fazit: Wenn erforderlich, kommt beim Heimtier Ratte die Punktion der Schwanzvene/arterie und/oder die Punktion der Fußvene wohl am ehesten in Betracht, da diese beiden Methoden am wenigsten aufwendig und relativ einfach durchführbar sind.

Verfügt ein Tierarzt über entsprechende Kenntnisse und notwendige Technik, so ist gegen eine retrobulbäre Blutentnahme nichts einzuwenden. Dennoch sollte jeder Rattenhalter eine Blutentnahme unter Narkose nur duchführen lassen, wenn diese zwingend erforderlich ist.

In jedem Fall sollte der ausübende Tierarzt über eine gewisse Erfahrung verfügen, damit dem Tier unnötige Schmerzen erspart bleiben.

Wann eine Blutuntersuchung angezeigt ist, muss der Tierarzt entscheiden. In der Regel sollte sie bei einem bestimmten Verdacht angeordnet werden. Bliebe zu hoffen, dass viel mehr Tierärzte zunächst einmal in der Lage wären, eine Blutuntersuchung überhaupt durchzuführen, wenn sie sonst nicht mehr weiter wissen, bzw. überhaupt die Technik der Blutentnahme bei Ratten beherrschen. Leider ist das bei Ratten immer noch die Ausnahme. Es gibt noch immer (zu) viele Tierärzte, die noch niemals bei einer Ratte Blut entnommen haben. Für die Ratte kann diese Blutuntersuchung durch eine ungeübte Person dann unter Umständen zu einer schmerzhaften Erfahrung werden.

Ein Labor kann die unterschiedlichsten Informationen aus dem Blut gewinnen:

1. Serologie:

Nachweis von Antikörpern gegen Infektionskrankheiten. Es kann spezifisch festgestellt werden, ob das Tier jemals mit bekannten Viren/Bakterien infiziert war/ist.

2. Blutbild:

Aus Vollblut (mit EDTA gerinnungsunfähig gemacht) kann das Labor die roten und weißen Blutkörperchen auszählen. Die Anzahl und das Verhältnis zueinander kann dem Tierarzt Hinweise auf eine bestimmte Krankheit geben (= Verdacht auf eine Infektion, etc.)

3. Blutchemie:

Es werden eine Reihe von Substanzen und Enzyme im Blut nachgewiesen. Je nach dem ob zu wenig oder zuviel von einer bestimmten Substanz vorhanden ist, kann wiederum auf eine Krankheit geschlossen werden. Vereinfacht gesagt, wenn ein Organ beschädigt ist, so fließen vermehrt gewebsspezifische Enzyme aus den absterbenden Zellen ins Blut ab und der entsprechende Enzymwert ist erhöht. Kreatininkinase (CK) kommt hauptsächlich im Muskel vor, das heißt, eine Erhöhung der CK im Blut lässt auf einen Muskelschaden schließen). Weitere Beispiele: erhöhter Glukosewert kann auf Diabetes hinweisen, eine Erhöhung von Kreatinin und Harnstoff deutet auf eine Nierenschädigung hin, etc.

Die Normalwerte für diese Tests sind laborspezifisch (sie hängen von der Analysemethodik ab), aber generelle Werte sind publiziert und sollten einem guten Tierarzt vorliegen.

Blutwerte
Hämatologie Normalwerte  
PVC (%) Hämatokrit (%) 36 - 54
Hgb(g/dl) Hämoglobin
MCV (fl) Mittleres Erythrozytenvolumen 48 - 70
MCHC (g/dl) Hämoglobingehalt pro Erythrozyt 40
WBC (x1000)

Gesamtleukozyten 6 - 18
Diff. (%) Differentialblutbild  
Segs Neutophile Granulozyten 10 - 30
Lymphs Lymphozyten 65 - 85
Monos Monozyten 0 - 5
EOS Eosinophile Granulozyten 0 - 6
Basos Basophile Granulozyten 0 - 1
Plat (x1000 Thrombozyten 500 - 1300
Klinische Chemie Normalwerte  
Alb (g/dl) Albumin 3.8 - 4.8
Alk P (U/l) Alkalische Phosphatase 16 - 50
Alt (U/l) ???   35 - 80
Bili-T (mg/dl) Bilirubin 0.2 - 0.5
BUN (mg/dl) Harnstoff 10 - 21
CA 2+ (mg/dl) Kalzium 8 - 13
Cholesterol Cholesterin 40 - 130
Creat (mg/dl) Kreatinin 0,5 - 1
Glukose (mg/dl) Glukose 50 - 160
Phos (mg/dl) Phosphor 5.3 - 8.3
TP (g/dl)   5.6 - 7.6
Na+ (mEq/l) Natrium 140 - 150
K+(mEq/l) Kalium 4.3 - 5.6
Chloride Chloride 95 - 115


Verschiedene Injektionsverfahren Die häufigsten Injektionsmethoden sind:
Intracutan (i.c.) oder intradermal (i.d.) in die Haut
Subcutan (s.c.) unter die Haut
Intramuskulär (i.m.) in den Muskel. Meist wird in die Rückenmuskeln oder die Muskeln der Hintergliedmaßen injiziert (ist i.d.R. weitaus schmerzhafter als die subcutane Verabreichung)
Intraperitoneal in die Bauchhöhle
Intravenös in die Vene

Neben anderen Faktoren müssen Substanzen, die injiziert werden, keimfrei und körperwarm sein. Gewisse Substanzen können nicht in eine Vene (i. v.) injiziert werden, sondern müssen in die Bauchhöhle (intraperitoneal - i.p.), unter die Haut (subkutan - s. c. ) oder in die Haut (intracutan - i. c.) verabreicht werden. Vor jeder Injektion muss die Einstichstelle mittels 70 %igem Alkohol desinfiziert und eventuell von Fell befreit werden (rasieren). Es muss sicher nicht extra erwähnt werden, dass Spritze und Kanüle in jedem Fall steril sein müssen. Je nachdem, an welcher Stelle die Spritze gesetzt wird, verteilt sich die Substanz mehr oder minder schnell im Körper. Bei der intrakardialen Injektion verteilt sich das Mittel am schnellsten im Organismus, danach folgt die intravenöse, die intraperitoneale, die intramuskuläre, die subkutane und letztendlich die intrakutane Injektion.

Bei einer Injektion direkt ins Herz (intrakardial) wird die Substanz über die Arterien sofort im Körper verteilt, dies ist der schnellste Weg, die Technik der Verabreichung macht jedoch sehr viel Erfahrung bei Ratten notwendig und muss unter Narkose durchgeführt werden. Im Heimtierbereich kommt diese Art der Injektion nicht zum Einsatz, sondern bleibt Labors vorbehalten.

Soll eine Substanz sehr schnell wirken (z. B. ein Narkosemittel), wird sie oft intravenös (i. v.)gespritzt. Sehr wichtig ist bei einer i. v.-Injektion (wie auch bei der intrakardialen), dass sich weder in der Spritze noch in der Kanüle Luft befinden darf! Bei Ratten kann eine intravenöse Injektion in die Schwanzvene verabreicht werden. Wird der Schwanz vor dem Spritzen in 40° warmen Wasser erwärmt, läßt sich die Vene durch Hervortreten leichter finden. Bei sehr nervösen und ängstlichen Tieren, sowie ungeübtem Tierarzt ist eine kurze Inhalationsnarkose zu empfehlen.

Die intraperitoneale (i.. p ) Injektion wird, ebenso wie die intrakardiale, vorbehaltlich von Versuchslabors durchgeführt. Durch das gut durchblutete Bauchfell wird eine injizierte Substanz recht schnell vom Organismus aufgenommen. Diese Art der Injektion ist jedoch sehr risikoreich und sollte nur von versierten Personen durchgeführt werden, ungeübte laufen Gefahr, durch falsches Einstechen Blase oder Darm zu verletzen. Diese Methode wird daher NICHT empfohlen.

Wird eine intramuskuläre (i. m.) Injektion vorgenommen, dann soll eine Substanz eine starke Wirkung auf den Stoffwechsel haben, jedoch die Wirkung nicht sofort eintreten. Da bei dieser Form der Injektion Muskelgewebe zerstört oder versehentlich ein Nerv getroffen werden kann, sollte bei Ratten auf diese Art der Verabreichung verzichtet werden, außerdem ist diese Art der Injektion recht schmerzhaft.

Bei Ratten wird die Injektion unter die Haut (s. c.) am häufigsten und bevorzugt eingesetzt und zwar an den Stellen, wo sich die Haut gut abheben läßt, überwiegend im Rücken-und Nackenbereich. Eine Narkose ist bei dieser Technik nicht notwendig. Die Haut sollte mit zwei Fingern vom Gewebe hochgehoben und dann parallel zur Körperoberfläche in die Hautfalte eingestochen werden. Bevor die Spritze entleert wird, sollte der Tierarzt durch vorsichtiges Bewegen den richtigen Sitz der Kanüle prüfen.

Auch die intracutane (i. c.) oder intradermale (i. d.) , also eine Injektion in die Haut, wird im Heimtierbereich bei Ratten nicht angewandt. Selbst im Versuchstierbereich ist bei Ratten diese Verabreichungsart sehr schwierig und wird nicht empfohlen, bzw. durchgeführt.

Injektionsvolumen:

Bei einer 250 g schweren Ratte beträgt das empfohlene maximale Injektionsvolumen:

s.c.  2,0 ml

i.m.  0,25 ml

i.d.  0,05 ml

Bei Jungtieren muss die Injektionsmenge angepasst werden, bzw. über mehrere Injektionsstellen verteilt werden.