Die kranke Ratte - Zahnerkrankungen |
Wenn die Ratte plötzlich die Nahrung verweigert, sich aber sonst "normal" verhält, könnte eine Zahnfehlstellung dafür verantwortlich sein. Die Schneidezähne könnten ungleich gewachsen oder ein angeborener Zahnfehler verantwortlich sein. Sind ein oder beide Schneidezähne zu lang oder schief gewachsen, dann sollten sie schnellstens gekürzt werden, damit die Ratte wieder ungehindert Nahrung aufnehmen kann.
Die Schneidezähne müssen genau aufeinandertreffen, da sonst die Zähne nicht abgenutzt werden. Die Schneidezähne bei der Ratte wachsen ihr Leben lang. Sie treffen sich in einem Winkel, so dass sowohl die oberen wie die unteren immer eine scharfe Kante haben (dass die Tiere Holz oder andere Gegenstände brauchen, um die Zähne abzunutzen, ist ein Mythos.Nur die Zähne sind hart genug, um dies zu bewirken). Wenn eine Zahnfehlstellung vorhanden ist, so wachsen die Zähne aneinander vorbei und das gibt die sogenannten Elefantenzähne. Diese müssen regelmäßig geschnitten werden. Zahnfehlstellungen (Malocclusion) sind vererbt.
Vor allem bei kranken Ratten müssen die Zähne regelmäßig kontrolliert werden, da durch die verminderte Nahrungsaufnahme und vor allem dadurch, dass erkrankte Tiere nicht mehr in der Lage sind, ihre Zähne selbst "kurz" zu halten, diese zu lang werden können. Meist wachsen die unteren Schneidezähne unkontrolliert lange und können sich dadurch in den Oberkiefer "bohren", wodurch es zu Verletzungen und Problemen bei der Nahrungsaufnahme (auch bei weicher Kost!) kommen kann. Die Zähne sind dann unbedingt zu kürzen (Kontrolle durch den Tierarzt).
Da die Zähne unter Umständen splittern können (vor allem bei älteren Ratten ), sollte man das Kürzen der Zähne von einem geübten Tierarzt durchführen lassen. Zwar ist der Zahn selbst nicht schmerzempfindlich, jedoch scheint er ein guter Leiter zu sein, deshalb ist z. B. das Bohren beim Zahnarzt schmerzhaft, (oder zumindest unangenehm), auch wenn die Wurzel direkt nicht befroffen ist.
Beim Schneiden der Rattenzähne werden große Kräfte auf den Zahn ausgeübt, es kommt zu einem mehr oder weniger kontrollierten Bruch. Diese Spannungen können überleiten auf den Nerv in der Zahnwurzel. Wird der Zahn zu tief abgebrochen, so ist die Zahnwurzel entblößt und das ist dann direkt sehr schmerzhaft. Aus der Reaktion beim Schneiden der Zähne lässt sich diese Schmerzempfindlichkeit ableiten. Soweit Rattenzauber bekannt, ist dieses Phänomen jedoch noch nie wissenschaftlich untersucht worden.
Im Gegensatz zu den meisten Säugetieren hat die Ratte keine Milchzähne und macht demzufolge auch keinen Zahnwechsel durch. In jedem Kiefer sitzen 3 paar Backenzähne und 1 paar Schneidezähne. Sie hat keine Eckzähne und keine Prämolaren. Die Schneidezähne sind wurzellos und wachsen ständig nach. Deshalb muss die Ratte diese regelmäßig abschleifen. An der Vorderseite sind sie mit einer dicken Schmelzschicht (gelb bis orangefarben) überzogen. Die Lücke, die sich zwischen den Schneide- und Backenzähnen befindet nennt man Diastema.
Mit zwei Hautfalten, die die Ratte in diese Lücke zieht, kann sie den hinteren Teil der Mundhöhle verschließen. Ungenießbares Futter wird auf diese Weise nicht "versehentlich" geschluckt und sie kann es so leicht wieder "ausspucken". Dieses Herausbefördern von wenig wohlschmeckendem "Futter" können Rattenhalter oft dann beobachten, wenn sie versuchen, ihrem Tier ein Medikament einzugeben. Es hat zunächst den Anschein, als hätte die Ratte das Mittel geschluckt, im nächsten Moment jedoch befördert sie es geschickt wieder heraus.
Der Begriff "wurzellos" wird gerne verwendet. Er bedeutet aber nur, dass der Zahn permanent nachwächst. Wenn man einen Rattenkiefer seziert, so hat der Zahn doch ein Ende, also eine "Wurzel". Wenn ein Schneidezahn ganz gezogen wird, also mit der Wurzel, wächst er nicht mehr nach. Allerdings ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Rattenschneidezahn mit der Wurzel gezogen werden kann, ohne Teile des Kiefers zu entfernen. Die Zähne sind sehr lang und nicht vergleichbar mit menschlichen Zähnen oder z. B. Zähnen von Hunden.
Der Oberkiefer von Ratten ist _nicht_ geteilt. Er besteht aus einem Stück und die Zähne sind nicht zueinander beweglich. Der Unterkiefer besteht aus zwei Armen, die aber in der Mitte (vorn) zusammengewachsen sind. Die Verbindungsstelle ist nicht absolut und besteht besonders bei jungen Tieren aus Knorpel und nicht aus Knochen. Die unteren Schneidezähne können leicht gegeneinander verschoben werden (etwa 1 mm Spielraum).
Ratten halten ihre Zähne übrigens auch dadurch kurz, indem sie die Schneidezähne aneinander "reiben". Untersuchungen an Ratten, die nur in Glasbehältern gehalten wurden, niemals Gelegenheit hatten, an festen Gegenständen zu nagen (auch nicht am Glas) und nur vollkommen weiche Nahrung erhielten, zeigten keine erkennbare Verlängerung der Nagezähne. Das bedeutet, dass das Nagen an harten Gegenständen nicht zwingendermaßen zum Zwecke des Abschleifens der Nagezähne notwendig ist, wohl aber zur Befriedigung des Nagetriebes!
Bei einem normalen, nicht verletzten oder missgebildetem Gebiss genügt offensichtlich schon das gegenseitige Schleifen der oberen und unteren Nagezähne aufeinander, um ein übermäßiges Wachsen zu verhindern. Backenzähne wachsen nicht in der Weise nach wie die Nagezähne und man kann an ihrem Abkaugrad auch das Alter einer Ratte bestimmen.
In seltenen Fällen kommt es vor, dass eine Ratte durch extremes und dauerndes Benagen (z. B. an extrem harten, getrockneten Maiskolben, Hartholz, usw. oder auch durch eine Verhaltensstörung ausgelöstes dauerndes Nagen am Käfiggitter) ihre oberen Nagezähne völlig abnutzt ("abnagt"), d. h., es ist kein oberer Nagezahn mehr zu sehen. Manchmal sind noch zwei kleine "Stummel" erkennbar. Die Zähne wachsen jedoch wieder nach (bei erwachsenen Ratten wachsen die oberen Schneidezähne in der Woche 2,2 mm, die unteren pro Woche 2,8 mm)! Bis dahin wird die Ratte Probleme beim Fressen von harter Nahrung, wie Körnerkost haben. Sie sollte deshalb in der Phase, bis die Zähne wieder nachgewachsen sind, mit Babybrei ernährt werden (sh. unter: wie ernähre ich eine kranke Ratte).
Der Härtegrad von Hausratten- und Wanderrattenzähnen beträgt 5,5 nach der Mohs'schen Härteskala.
Bei entsprechender (falscher) Fütterung können Ratten auch Karies bekommen. Der Rattenhalter sollte daher darauf verzichten, seinen Ratten Futter mit hohem Zuckergehalt anzubieten. Darunter fallen jegliche Süßigkeiten, die für den menschlichen Genuss bestimmt sind und (zu) viele Ratten-Leckerle (wie verschiedene Milch- und Joghurt-Drops und dergleichen). Ratten-Naschereien sollten daher nur in sehr begrenzter Menge gereicht werden, lieber öfter frisches Obst und Gemüse anbieten oder ungesüßte Leckereien. In der Kariesforschung sind Ratten leider, wie auch in so vielen anderen Bereichen, die am meisten verwendeten Versuchstiere.
Kiefer-/Kieferhöhlenabszess
Erkrankt eine Ratte an einem Kiefer- bzw Kieferhöhlenabszess, kann es zum Beispiel zu einer Schwellung auf der Seite der Nase unterhalb des Auges kommen, d.h. je nachdem in welchem Bereich des Kiefers sich der Abszess befindet beispielsweise auch im Halsbereich. Unter Umständen kann es durch diese Schwellung auch zu Atemnot kommen
Abszesse im Oberkiefer beeinträchtigen in der Regel die Nasennebenhöhlen (z. B. Kieferhöhle), wie auch den umliegenden Knochen. Der Ursprung ist meist von einem Zahn ausgehend. Eine Infektion arbeitet sich an einem Zahn hoch und beginnt dann den Knochen zu zersetzen, bricht durch in die Kieferhöhle und arbeitet sich nach außen durch den Knochen weiter. In der Regel wird die Diagnose erst gestellt, wenn der Abszess von außen sichtbar wird, das heißt der Knochen sich weitgehend nach außen aufgelöst hat.Es ist durchaus vorstellbar, dass ein Abszess von der Kieferhöhle ausgehen kann (Komplikation einer Infektion in der Nase). Beim Zeitpunkt der Diagnose ist das schwer zurückzuverfolgen, da sich die Knochenstrukturen bereits schon stark zersetzt haben.
Es gibt auch Abszesse im Halsbereich direkt hinter dem Unterkiefer. Dort liegen die Lymphknoten. Bei einer Infektion im Kopfbereich (meist Maulhöhle) kann diese in die Lymphknoten abwandern und dort Abszesse auslösen. Diese sind viel einfacher zu behandeln als die Kieferabszesse, da kein Knochen beteiligt, bzw. angegriffen ist. Behandlung: entweder Abszess öffnen (große Öffnung) und spülen wie oben beschrieben, oder besser, den abszedierten Lymphknoten ganz herausoperieren (Achtung, es gibt an dieser Stelle viele Blutgefäße).
Bei der Behandlung eines Kieferabszesses wird unter Narkose der Abszess von außen geöffnet, damit Eiter abfließen kann. Es ist nicht mit einem "Aufbohren" wie z. B. beim Pferd zu vergleichen, wo der Knochen richtiggehend durchbohrt und ein Abflussschlauch gelegt wird. Wenn eine Schwellung da ist, so bedeutet das, dass der Knochen bereits zerstört ist. Die dünne Knochendecke kann dann mittels Sonde oder einer Pinzette durchstoßen und entfernt werden. Mit einem Hautbiopsieschneider kann ein Loch von etwa 4 mm Durchmesser in die Haut gestanzt werden. Danach muss die Höhle mit NaCl gut ausgespült. Je nach Situation mit H2O2 und Betadine spülen und wieder mit NaCl. Abschließend wird eine Antibiotikasalbe in die Höhle eingebracht.
Die Abszesshöhle muss mehrere Tage gut gespült werden. Es ist wichtig, dass während der Behandlung die Öffnung nach außen offen bleibt und die Höhle mehrmals pro Tag gut gespült wird. Der Abszess muss von innen her abheilen, ansonsten schließt sich die Haut über der Infektion und der Abszess beginnt wieder zu wachsen. Die Prognose ist nicht sehr gut, da es oft schwierig ist, allen Eiter aus der verwinkelten Abszesshöhle herauszuspülen und sobald sich Kammern bilden, wächst der Abszess nach der Behandlung wieder.
Manchmal hat der Abszess auch mehrere Kammern und die können von außen nicht erreicht werden. Eine operative Entfernung der Kapsel ist oft auch nicht möglich, insbesondere wenn der Knochen mit betroffen ist oder wenn große Blutgfäße in der Nähe sind.
Die Nachbehandlung (ohne Narkose) besteht darin, dass 3 mal pro Tag die Wundkruste entfernt, die Höhle mit Kamillentee oder einem milden Desinfektionsmittel gut ausgespült und wieder mit Salbe gefüllt werden muss. Das muss so lange fortgeführt werden, bis keine Höhle mehr da ist.
Kieferabszess und Kieferhöhlenabszess sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung (sichtbare Schwellung) nicht mehr zu unterscheiden und müssen gleich behandelt werden. Der einzige Unterschied ist, dass beim Kieferhöhlenabszess das Ziehen des Zahnes nichts bringt. Bei einem Kieferabszess wird bei größeren Tieren oft der betroffene Zahn gezogen. Das öffnet den Abszess nach unten und die Heilungschancen sind dann sehr gut. Das Ziehen eines Zahnes bei einer Ratte ist theoretisch zwar möglich, aber da das Maul nur sehr wenig geöffnet werden kann, technisch sicher sehr kompliziert und ich habe noch nichts von einer derartigen Behandlung durch einen hiesigen Tierarzt gehört.
Alternativ kann sich ein Tierarzt zunächst für eine konservative (nicht-invasive) Behandlung entschließen. Das heißt, er wird der Ratte ein Antibiotikum (z. B. Baytril, 2x täglich, höchste Dosierung) verordnen, eventuell parallel dazu ebenfalls 2x tgl. Traumeel-Lösung (beides kann injiziert, sowie vom Rattenhalter während der Dauer der restlichen Behandlungszeit oral verabreicht werden). Baytril kann zwar den Abszess nicht beseitigen, da das Antibiotikum nicht in den Eiter vordringen kann, aber es kann die Ausbreitung der Infektion verhindern. Diese zweite Möglichkeit ist jedoch leider nicht sehr effektiv, bzw. erfolgversprechend und wenn sich nach spätestens 2-3 Tagen die Schwellung nicht zurückgebildet hat, sollte die Öffnung des Abszesses in Erwägung gezogen werden. Die Entscheidung obliegt selbstverständlich dem behandelnden Arzt!
Bleibt ein Kieferabszess unbehandelt und der Abszess wird größer, kann er entweder nach außen, in die Maulhöhle oder in die Nasenhöhle durchbrechen. Es kann zu lokaler Gewebszerstörung, Lockerung der Zähne,etc. kommen. Zudem kann es bei einem Durchbruch Blutungen geben. Im Endstadium wird die Infektion direkt oder über den Lymphknoten ins Blut gelangen, es gibt eine "Blutvergiftung", Bakterienwachstum in inneren Organen und hohes Fieber , was letzlich zum Tod führt. Nicht jeder Abszess geht diesen Weg. Wenn er sich nach außen öffnet, kann er sich auf "natürlichem" Weg entleeren. Dann sind die Folgen eine offene eiternde Wunde, die sich schließt und periodisch wieder aufbricht.
Ob und wann eine Ratte euthanasiert werden muss, kommt auf den Allgemeinzustand des Tieres an. Es kann sein, dass der Abszess schmerzhaft ist und das Tier nicht mehr richtig frisst. Wenn es zuviel Gewicht verliert und die übergangsweise Ernährung mittels Pipette/Spritze verweigert, sollte es eingeschläfert werden. Wenn das Tier eine Blutvergiftung bekommt (Fieber), oder evtl. auch wenn die Wunde konstant eitert und keine Heilung herbeigeführt werden kann, ist eine Euthanasie meist unumgänglich.