Das Verhalten bei Ratten - Allgemeines

Soziales Verhalten ist jegliches Verhalten, welches Artgenossen beeinflusst, bzw. durch welches Artgenossen wiederum beeinflussen.

Das Verhalten von Ratten ist äußerst komplex. Ratten lernen in zeitlich begrenzten Abschnitten bestimmte Verhaltensweisen. Diese Prägung ist in verschiedene Phasen unterteilt, in denen sie Sozialverhalten, Erkundungsverhalten usw. erlernen. Der Einfluss, der durch Umwelteinflüsse auf spezifisches Verhalten genommen werden kann, ist ebenfalls nur in bestimmten Zeiträumen wirkungsvoll. Hat eine Ratte erst einmal ihre eigenen Verhaltensmuster entwickelt, so ist dieser Einfluss auf ihr Verhalten danach nur noch schwer zu beeinflussen, oft ist er gar nicht mehr möglich.

Holt sich der Mensch ein oder mehrere Rattenbabys zu sich ins Haus, so kann er durchaus dazu beitragen, auf das Verhalten der Tiere Einfluss zu nehmen. Die Grundcharakterzüge der Ratten sind zwar genetisch festgelegt, jedoch kann durch entsprechenden Umgang der Charakter der Ratten "geformt" werden.

Die Entwicklung von Rattenbabys wird bereits im Mutterleib angelegt. Werden Rattenmütter während der Trächtigkeit oder beim Säugen Stress ausgesetzt, so kann dies später zu deutlichen Unterschieden im Verhalten führen. Auch Erfahrungen mit anderen Ratten, ob positiver oder negativer Natur, nehmen großen Einfluss auf das Sozialverhalten. Negative Erfahrungen können sogar zu einem Trauma führen und sind nur noch schwer wieder rückgängig zu machen. Werden Ratten z. B. in einem zu kleinen Käfig gehalten und knnen ihrem Bewegungsdrang daher nur sehr ungenügend nachkommen, so kann dies immer wieder zu Fehlverhalten dem Artgenossen oder auch dem Menschen gegenüber führen. Auch Einzelhaltung führt zu anormalen Verhaltensmustern und verursacht spätere Unverträglichkeit in einer sozialen Gruppe.

Kleine Veränderungen, die vielleicht vom Menschen gar nicht als solche wahrgenommen wurden, können fatale Auswirkungen auf die Tiere, bzw. ihr Sozialverhalten haben. Ist die Ratte dann nicht in der Lage, sich den veränderten Bedingungen anzupassen, entwickelt sich Stress, der sich als Krankheit oder eben anormales Verhalten äußert. Es ist daher nicht sinnvoll, die gewohnte Umgebung der Ratten ständig zu verändern. Dies trifft auch auf die Regelmässigkeit beim Füttern usw. zu. In Untersuchungen wurde zweifelsfrei festgestellt, dass die Art und Weise des Umgangs des Menschen mit den Ratten einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit der Tiere hat!

Verhaltensstörungen

Jedes Lebewesen ist in seiner jeweiligen Umwelt Konfliktsituationen ausgesetzt, die es durch angeborenes oder erlerntes Verhalten zu bewältigen sucht. Kann es dies nicht, aus welchen Gründen auch immer, kommt es zu Fehlverhalten.

Agonistisches Fehlverhalten:

Kennt ein Tier "seinen" Futternapf, sowie die bislang immer regelmäßigen Zeiten, in der dieser auch tatsächlich gefüllt war, kann es Artgenossen gegenüber aggressiv werden, sobald der Napf zu den erlernten Zeiten leer bleibt.

Ambivalentes Verhalten:

"2 Seelen streiten in einer Brust". Ein Tier will zum Futternapf, "etwas" in ihm will aber nicht. Wenn beide Komponenten gleich stark sind, kommt es zu Kreisbewegungen um das "Ziel" herum.

Ersatzverhalten:

Wenn ein Tier sein Ziel nicht erreichen kann (es will zum Beispiel aus einem Käfig hinaus) oder Angst davor hat, kann das Verhalten auf ein anderes Ziel ausgerichtet werden (das kann sich z. B. durch aggressives Verhalten dem Menschen oder Artgenossen gegenüber äußern).

Zusatzverhalten:

Typisch ist hierbei, dass es wenig oder nichts mit dem Konflikt an sich zu tun hat, was es aber natürlich schwer macht, es als Konfliktverhalten überhaupt zu erkennen. Wenn Tiere miteinander kämpfen, kann es vorkommen, dass eines plötzlich anfängt sich zu putzen oder, besonders bei Hahnenkämpfen zu beobachten, auf dem Boden herumpickt, als wäre gerade Futter hingestreut worden.

Obige Verhaltensweisen sind meist von kurzer Dauer und/oder stark ausgeprägt. Kann das jeweilige "Problem" durch das Tier nicht gelöst werden, kommt es zu chronischem Stress, ausgelöst durch das Fehlverhalten, bzw. deren Ursache. In dem Fall kann man auf Mängel in der Tierhaltung durch den Menschen schließen.

Eine 2. Art von Verhaltensstörungen sind die sogenannten Stereotypien, die häufig in der Tierhaltung festgestellt werden. Diese sind beständig, also nicht wie obige Störungen von kurzer, vorübergehender Art, und werden laufend wiederholt. Ein bestimmter Zweck ist nicht zu erkennen und die Art und die Stärke dieser Störungen sind für das einzelne Individuum charakteristisch. Untersuchungen bei Ratten, die in zu kleinen Käfigen gehalten wurden, ergaben, dass Stereotypien durch den Einsatz des Opiat-Antagonisten Naloxon reduziert werden können. D. h., das Auftreten von Stereotypien geht einher mit der Freisetzung von Endorphin durch das Zentralnervensystem. Endorphine wirken schmerzstillend und euphorisierend, wodurch man dem Auftreten von Stereotypien eine biologische Bedeutung dem Tier gegenüber zusprechen kann. Grundsätzlich aber weisen S. darauf hin, dass sich die jeweiligen Tiere in einem Zustand von chronischem Stress befanden oder diesem noch ausgesetzt sind.

Anpassung

Wie eine Ratte eine Gegebenheit, bzw. Änderung der bestehenden Verhältnisse verarbeiten kann, hängt sowohl von der ihrer Art zur Verfügung stehenden Mechanismen als auch vom Individuum selbst ab. Nicht jede Ratte also kann den gleichen Konflikt auch gleich gut meistern. Bei Ratten gibt es 2 extreme Verhaltensmuster. Während die einen höchst aktiv versuchen, eine Zustandsänderung zu bewältigen, indem sie z. B. auf einen Eindringling zugehen und diesen zu vertreiben suchen, können dies andere wiederum nicht. Oder die einen erstarren quasi in "Ehrfurcht", andere verstecken sich, wobei beides zunächst einmal gleichermaßen erfolgreich ist: in jedem Fall wurde dem Konflikt aus dem Weg gegangen.

Allerdings sind die Voraussetzung für diese entweder aktive oder passive Anpassung in der Heimtierhaltung u. a. immer genügend Platz und gut zusammengeführte Gruppen (sh. dazu auch Kapitel Integration und Neue Ratten). Nur dadurch können sich feste und gut funktionierende Verhaltensweisen bilden.

Crowding-Effekte in der Heimtierhaltung?

Artikel in Rodentia

"Zwangsknuddeln" gegen beißende Ratten?
Zum Artikel, erschienen in der Zeitschrift Rodentia, Ausgabe Nr 29 "Das ideale Rattenrudel in der Heimtierhaltung" :

Der Autor schreibt folgendes:
"Die vernünftige Obergrenze einer harmonischen Rattengemeinschaft liegt bei etwa fünf Tieren, auch wenn viele Halter größere Rudel halten. Der Grund: Bei einer größeren Anzahl beginnt die Rangordnung aufzuweichen. Das Alphatier verliert den Überblick, so dass es unter Umständen zu Rangordnungskämpfen kommt, die nicht mehr auf die Rudelführung abzielen, sondern auf ein einzelnes Recht. Der beste Platz am Napf ist dann beispielsweise unabhängig vom sichersten Schlafplatz und wird einzeln ausgefochten. Der Fachbegriff für dieses Phänomen lautet "Crowding-Effekt": Zu viele Tiere in einem Habitat erzeugen Stress mit negativen Folgen für die psychische und physische Gesundheit (SCHLEIF 2001, siehe Kasten)."

Rattenzauber:
Der Verfasser des Artikels verweist in seinem Absatz "Die optimale Rudelgröße" auf eine Dissertation von H Oliver Schleif.
Er hat jedoch ganz offensichtlich vergessen zu erwähnen, dass es sich in der von ihm zitierten Publikation um Verhaltensuntersuchungen handelt, die nahezu ausschließlich an Laborratten unter Haltungsbedingungen im Labortierbereich durchgeführt wurden.
Zwar gelten gewisse Ergebnisse auch für die Heimtierhaltung, jedoch finden in der Regel und hier im Besonderen dabei in erster Line Haltungsbedingungen Berücksichtigung, die bekanntlich gravierend von der Labortierhaltung abweichen. Experimentelle Untersuchungen an Heimtierratten sind selbst dem wissenschaftlichen Betreuer der Dissertation von H Schleif nicht bekannt.

Wir können davon ausgehen, dass kein Rattenliebhaber eine größere Anzahl an Tieren , bzw. Ratten überhaupt, in winzigen Makrolonkäfigen hält. Zu Crowding kommt es nämlich nur dann, wenn Ratten unter den für Laborratten empfohlenen Mindestabmessungen gehalten werden!
Vermutlich verwechselt der Autor dies mit den von ihm erwähnten Rangkämpfen, die jedoch nichts mit Crowding-Effekten zu tun haben.
Die Harmonie in einer Rattengemeinschaft ist in der Heimtierhaltung bei einem entsprechendem Platzangebot nicht von einer bestimmten Zahl an Tieren abhängig. Unter bestimmten Voraussetzungen/Haltungsbedingungen kann es durchaus auch in kleinen Gruppen von 2 bis 5 Tieren zu einer dauerhaften Disharmonie kommen, die sich beispielsweise in immer wieder kehrendem aggressiven Verhalten äußert.
In Einzelfällen können auch in der Heimtierhaltung, unabhängig von der Anzahl der Tiere, individuelle Differenzen so groß sein, dass eine bestimmte Gruppenzusammensetzung eben nicht aufrecht erhalten werden kann. Dann ist es sinnvoll, die Ratten in zwei gut verträglichen Gruppen zu halten.
In der Labortierhaltung wird zudem empfohlen, eine einmal gut kompatible Gruppe nicht mehr zu verändern.
In der Heimtierhaltung kann es unter Umständen auch in einer bereits länger bestehenden Gemeinschaft (z. B. zwischen Rattenmännchen, wenn sie geschlechtsreif werden), zu immer wieder kehrendem aggressiven Verhalten kommen, was jedoch zusätzlich von einer Vielzahl weiterer Faktoren, wie z. B. Herkunft, Handling, bisher gemachte Erfahrungen einzelner Individuen (z T. bereits vor der Geburt), Geschlecht (kastriert/unkastriert), Haltungsbedingungen (Käfiggröße/Strukturierung), usw. abhängig ist.

Fazit:
Grundvoraussetzungen für die Heimtierhaltung, egal, ob das Rudel nun aus fünf oder mehr Tieren besteht, sind entsprechende Haltungsbedingungen (wie z. B. sehr großer, geräumiger und gut strukturierter Käfig) die jedoch keine Garantie für eine harmonische Gemeinschaft darstellen (etwa wenn Männchen in die Geschlechtsreife kommen). Mit Crowding hat das, wie oben erwähnt, jedoch nichts zu tun.
Die Erfahrung zeigt, dass Unverträglichkeiten in der Heimtierhaltung in der Regel sehr häufig dann auftreten, wenn mehrere Böcke in einer Gruppe gehalten werden. Auch die Integration neuer Tiere gestaltet sich meist schwierig und gelingt nicht selten gar nicht.
Der Einwand, dass "kleine Reibereien", wie die mehr oder minder stetigen Auseinandersetzungen zwischen Rattenmännchen gerne verharmlost werden, doch völlig "normal" seien, ist Unsinn. In einer gut kompatiblen Gruppe darf es auf keinen Fall immer wieder zu aggressivem Verhalten kommen. Auch wenn sich die Ratten nicht verletzen, ist die stetige Spannung für die Tiere eine unzumutbare Belastung, die dominante, wie subdominante Tiere gleichermaßen betrifft.
Wer also gerne ein "kleines Rattenrudel" halten möchte, ist gut beraten, bei dauerhaft oder immer wieder kehrendem aggressiven Verhalten zwischen Rattenmännchen, diese rechtzeitig kastrieren zu lassen. Nur so kann krankmachender Dauerstress vermieden werden, denn der kann auch in einer kleinen Gruppe von etwa fünf Tieren auftreten!


In einem weiteren Artikel der Zeitschrift Rodentia, Ausgabe Nr. 30 ist unter dem Titel " "Beißende Ratten" folgendes zu lesen:

"Beobachtet man eine Zeit lang, wie Ratten miteinander interagieren, fallen zwei Dinge besonders ins Auge:
Die Rückenlage, die ein Tier im Spiel oder am Ende eines Kampfes einnimmt und ein merkwürdig aggressives Putzen mit den Zähnen, bei dem der Geputzte oft kläglich fiept. Beides dient u. a. der Regelung der Rangordnung im Rudel und es hat sich gezeigt, dass diese beiden Verhaltensweisen vom Menschen nachgeahmt werden können...
Eine weitere Möglichkeit der Unterwerfung ist das sogenannte "Wutzeln". Hierbei wird das Tier mit beiden Händen auf dem Rücken liegend gehalten. Die Daumen fixieren das Tier über der Brust oder massieren vorsichtig das Fell.
Da die Kommunikation mit Artgenossen überwiegend erlernt und nicht vererbt ist, akzeptieren Rattenwelpen dieses Verhalten problemlos. Kommen sie dann mit 3 Monaten ins Flegelalter, kann man nötigenfalls die Komponente Zwang mit ins Spiel bringen, indem man Putzen und Wutzeln leicht intensiviert und nur ein klein wenig über den Zeitpunkt hinaus ausdehnt, an dem das Tier zeigt, dass es nicht mehr möchte. Schon sind Zwangsputzen und "-wutzeln" als Geste der Dominanz eingeführt und in vielen Fällen kommt kein aggressives Verhalten gegenüber dem Halter mehr auf".

Rattenzauber:
Zum üblichen Sozialverhalten von Ratten gehört sowohl das Fremdputzen (allogrooming), als auch das Umwerfen (pinning). Beides hat bei Jungtieren einen spielerischen Charakter mit einem im Laufe der Altersentwicklung zunehmendem aggressiven Einschlag. Ein Rest spielerischen Verhaltens ist aber häufig auch noch in etablierten Gruppen erwachsener Tiere erhalten geblieben. Solche Verhaltensweisen spiegeln zwischen den Ratten einer Gruppe die soziale Stellung eines Tieres wider. Nach Untersuchungen an Zuchtratten tragen diese sozialen Signale zur Stabilität der Gruppe bei und dienen weniger zum Erkämpfen einer Rangposition.

Was immer auch das vom Verfasser erfundene "Zangswutzeln" sein mag, so behauptet er in seinem Artikel, dass
" ..die Kommunikation mit Artgenossen überwiegend erlernt und nicht vererbt ist...."

Rattenzauber:
Einzeltiere können zwar durchaus innerhalb ihrer genetischen Grenzen während ihrer Entwicklung durch Lernen ihr Verhalten ändern, aber Tatsache ist, dass wichtige Verhaltensweisen, u. a. das Aggressions-, Sexual,- Brutverhalten, wie auch das Sozialverhalten, streng genetisch bestimmt sind, wobei diese spezifischen Verhaltensweise nicht oder nur mit mehr oder minder großen Schwierigkeiten durch Erfahrungen verändert werden (können).
Wenn jetzt der Mensch in solche sozialen Erfahrungen eines Tieres eingreift, so kann er zwar manchmal einzelne Reize simulieren (Zwangsputzen, in Rückenlage zwingen), er wird aber kaum eine Chance haben, das komplexe Gefüge einer sozialen Einordnung zu simulieren. Selbst wenn es theoretisch möglich wäre, von einer Ratte als eine Art "Riesenratte" angesehen zu werden, was jedoch mehr als zweifelhaft ist!, würde es einem Menschen niemals gelingen, sich in dem komplexen Gefüge sozialer Reize adäquat als dominantes Tier darzustellen. Dazu reicht es eben nicht (auch als Ratte nicht), den anderen umzuwerfen und zwangszukraulen.
Mit einem Hau-Ruckverfahren wie "Wutzeln" kann man soziale Positionen sicher nicht ändern. Menschen können sich anstrengen wie sie wollen, sie werden wohl nie als Ratten anerkannt werden.
Das bedeutet nicht, dass keine Einflüsse auf die Individualentwicklung einer Ratte möglich sind. Versuche zeigten, dass zum Beispiel durch Spielentzug (etwa durch Einzelhaltung) spätere Persönlichkeitsstörungen verursacht werden. Dabei spielt der Mensch aber eben keine Rolle als Sozialpartner, sondern als Störfaktor.
Bedauerlich, dass unerfahrene Rattenhalter beim Lesen dieses Beitrags in der Rodentia den (falschen) Eindruck gewinnen könnten, sie würden vielleicht durch noch so dubiose Handlungen ihren Ratten problemlos irgendwelche genetisch festgelegte Verhaltensweisen ab-, bzw. ein anderes Verhalten angewöhnen können.
Zwar sind letztlich nur Experimente unter standardisierten und kontrollierten Haltungs- und Laborbedingungen in der Lage, Aufschluss über Ursache und Wirkung, Grundlage und vielleicht sogar Zweck bestimmter Verhaltensweisen zu geben, doch nicht alle Ergebnisse aus der Labortierforschung können so ohne weiteres auf den Heimtierbereich, nicht zuletzt wegen der dort vorhandenen Haltungsbedingungen, übertragen werden (wie z. B. Crowding). Leider sind wissenschaftliche Untersuchungen an Ratten in der Heimtierhaltung bislang nicht bekannt, dies sollte aber nicht dazu führen,dass durch absurde Darstellungen dem Rattenhalter, der sich zu Hause um zahme Farbratten kümmert, ein völlig artwidriges Vorgehen ("Zwangswutzeln") im Umgang mit seinen Haustieren empfohlen wird. Letztendlich verhindert dies nur, dass Rattenhalter das Verhalten ihrer Ratten richtig deuten und so nicht in der Lage sind, ihre Tiere wirklich zu verstehen.

Laktose-Intoleranz?
Demutsschrei lernen?


Auf den Artikel in der Zeitschrift Rodentia (Ausgabe Nr 32)
machte mich eine Rattenhalterin aufmerksam:
Die Autorin schreibt in dem Artikel: "Rattenbabys in Not", dass "Ratten, wie fast alle Tierjungen, laktoseintolerant wären".

Rattenzauber:
"Die Milch aller Säugetiere enthält Laktose.
Säugetiere, dazu gehört die Ratte und aus Sicht der Biologie z. B. auch der Mensch, trinken naturgemäß als Säuglinge (und nur dann!) Milch (die ihrer Mutter).
Die Muttermilch von Ratten enthält einen Anteil von etwa 3 % Laktose (Milchzucker).
Die Laktaseaktivität neugeborener Säuger (auch die des Menschen) ist auf die "Muttermilch"mengenmäßig so eingestellt, dass der Milchzucker problemlos durch das Enzym Laktase gespalten werden kann.
Da erwachsene Ratten (Säugetiere) in der Regel keine Milch fressen, brauchen sie normalerweise auch keine Laktase (Enzym zur Verdauung von Laktose). Laktase verschwindet natürlicherweise nach dem Absetzen, aber wenn eine Ratte immer mit Milchprodukten gefüttert wird, so bleibt die Laktase weiter aktiv (wie beim Menschen).
Bei handaufgezogenen, abgesetzten Babyratten oder erwachsenen (kranken) Tieren kann man z. B. auf laktosefreie Milchprodukte zurückgreifen (Milch, Sahne, Quark usw.).
Naturjoghurte (mit lebenden Milchsäurebakterien, lebenden Joghurtkulturen) enthalten das Enzym Laktase, sind also in der Lage, Laktose zu spalten und daher meist gut verträglich.

Am Ende dieses Artikels verweist die Autorin noch darauf, dass
"handaufgezogene Ratten den _Demutsschrei _ lernen müssen, da ansonsten eine spätere Integration schwer bis unmöglich und zum Tod des handaufgezogenen Tieres führen würde".
Abgesehen davon, dass ich selbst bereits handaufgezogene Ratten problemlos integriert habe, ist dieser immer wieder seit Jahren gern zitierte "Demutsschrei", dessen Existenz manche Rattenhalter als gegeben betrachten, bislang wissenschaftlich nicht nachgewiesen! (wie berichtet unter Sinnesorgane: "Gehör").
In der aggressiven Auseinandersetzung zwischen Männchen werden vom subdominanten Tier Vokalisationslaute ausgestoßen, die sich im Hauptbereich um 20 kHz befinden.
Ob diese Laute jedoch der Kommunikation, bzw. Vermittlung von Unterwürfigkeit dienen oder ein mechanisches "Nebenprodukt" sind, ist bislang ungeklärt.
Auch ist durchaus umstritten, ob mit dieser Art von Lauten das überlegene Tier tatsächlich "besänftigt" wird, da das unterlegene Tier vor allem auch unterwürfige Verhaltensweisen (Bewegungslosigkeit, defensives Verhalten) zeigt, die sehr wichtig in der Demonstration der Unterlegenheit sind."

Ich finde es nicht sehr sinnvoll, Rattenhalter durch die Verbreitung derart umstrittener Thesen zu verunsichern.

Besonders haarsträubend ist weiterhin die 'Empfehlung', eine Rattenmutter, die ihre Jungen nicht annimmt, mitsamt den Neugeborenen in eine Auflaufform zu legen (es wird geraten,"die Schüssel luftdurchlässig abzudecken"), damit sich das Muttertier "mangels Fluchtmöglichkeit ihrem Schicksal ergibt und die Babys säugt'.
Die Autorin nennt diese Maßnahme sinnigerweise"Zwangsverdeckelung"...
....und weist auch bemerkenswerterweise gleich darauf hin, dass "die Gefahr besteht, dass sich die Mutter zu sehr bedrängt fühlt und ihren Wurf tötet".....
Leider wurde und wird dieser Unsinn - wie auch ab und an andere völlig zweifelhafte Tipps - von manchem fragwürdigen Rattenforum übernommen und weitergegeben.

Rattenzauber, (lt. Verhaltensbiologe):
Wenn eine Ratte Junge zur Welt bringt, dann kann alles gut gehen, oder die Mutter kümmert sich nicht um die kleinen (kann bei Stress oder hormonellen Störungen passieren) oder aber sie tötet die Pups (Welpen), (d.h., sie frisst sie dann meistens auf). Das Verschlingen der eigenen Jungen nennt man Kronismus.
Letzteres kann durch Störungen oder Stress verursacht werden und ist bei 'ursprünglichen' Rattenstämmen seltener als bei speziell gezüchteten Inzuchtstämmen. Dagegen kann man wenig unternehmen, außer natürlich, dass man das Muttertier möglichst wenig stresst und stört.
Wenn sich die Mutter nicht um die Neugeborenen kümmert, sollte man abwarten, das kann auch einige Minuten dauern, die Kleinen warm halten (Wärmelampe) und das Muttertier in der Nähe halten.
Alles andere halte ich für faulen Zauber. Zwingen kann man die Mutter sowieso nicht.
Infantizid (so nennt man das Töten der eigenen Jungen, was jedoch nicht zwingend das Verschlingen selbiger bedeutet) ist zwar alles andere als schön, kommt aber neben der Heimtierhaltung unter bestimmten Bedingungen (schwerer Stress, Überpopulation) auch in freier Natur vor.
Bei Ratten trifft in den meisten Fällen der Begriff Kronismus am genausten zu, was das Verschlingen der eigenen Jungen bedeutet.

Wenn also eine Rattenmutter ihre Babys nach einer solchen "Zwangsmaßnahme" säugt und nicht tötet, dann hätte sie das mit etwas Geduld auch ohne diesen völlig überflüssigen Stress einer solch fragwürdige Aktion getan! Das gilt auch für den Fall, dass sie die Babys nicht annimmt.
Die Gefahr, dass die Ratte aufgrund dieser enormen Störung ihre Babys tötet, ist weitaus größer als die Möglichkeit, dass sie ihre Babys durch diese Zwangsmaßnahme säugt!

Hundeverhalten - Rattenverhalten

In meinem Buch weise ich unter dem Kapitel "Bestrafen/Belohnen" darauf hin, dass es bei Ratten wenig ratsam ist, sie als Erziehungsmaßnahme am Nackenfell zu schütteln, wie beispielsweise Hundemütter ihre Welpen maßregeln, da dies "bei Ratten keinem natürlichen Reflex entspricht".

Im Rattenforum wurde dieses vergleichende Verhalten "Schütteln am Nackenfell" heftig diskutiert. Hierzu habe ich auch aus informationstechnischen Gründen eine Mail direkt an Frau Kasper, die mein Buch unter www.literatuschock rezensiert hatte, geschickt. Der Einfachheit halber verwende ich auszugsweise den Text daraus:

"Alle meine Angaben im Buch, sofern es sich nicht um eigene Beobachtungen handelt, entspringen keineswegs meiner Fantasie, sondern beruhen auf Angaben externer Quellen, so auch oben erwähntes Verhalten. Es kann nicht zu meinen Aufgaben gehören, jene Quellen auch noch auf deren Stichhaltigkeit, "Glaubwürdigkeit" und aktuelle Akzeptanz zu prüfen.
Meine Aussagen hinsichtlich des Verhaltens bei Hunden stammen von Eberhard Trumler, nicht nur für mich auch heute noch einer der "Väter" der Verhaltensforschung bei Caniden.

Trumler schreibt in 3 seiner Bücher u.a. folgendes:


... seine Welpen der Reihe nach täglich ein- bis dreimal kräftig zu schütteln, und gerade das scheint den kleinen Rackern sehr gut zu tun, denn es entwickelt sich dabei eine "Unterordnung", deren besondere Form nichts von Angst oder besonderer Unterwürfigkeit verrät. Lernen wir also und ersetzen wir ihn unserem Welpen, den wir mit 8 Wochen in unsere menschliche Gemeinschaft eingliedern.....

...Nicht schlagen, sondern beißen, und zwar im Genick! Finger gegen Daumen in das Nackenfell eingesetzt, einmal kräftig kurz geschüttelt....."

...Zunächst versuchen die Welpen sich darüber hinweg zu setzen. Sofort werden sie energisch bestraft, indem der Rüde den Gesetzesübertreter am Nacken- oder Rückenfell packt und kräftig durchschüttelt.... Die auf diese Weise herausgeforderte Bestrafung des Welpen wird von ihm aber genau verstanden..."

"....darf einen Welpen nicht dazu verleiten, auch nur zentimeterweise die Grenze zu überschreiten. Versucht er das aber, wird er gepackt und strafend geschüttelt."


Deshalb noch einmal der Hinweis, dass ich z. B. für derlei Aussagen in meinem Buch grundsätzlich Kenntnis von Quellen habe und diese in gutem Glauben als durchaus "seriös" herangezogen habe.