Wilde Ratten

                                    Bildnachweis: Die farbigen Naturführer)


Kein Platz für Ratten?

Es gibt in unserer modernen Welt immer weniger Platz für Tiere in freier Wildbahn. Das trifft besonders auf solche Tierarten zu, die vom Menschen als "Schädlinge" eingestuft werden, wie Haus- und Wanderratten.
In Europa ist die Zahl der Hausratten stark rückgängig. Als ein Grund wird gesehen, dass die Hausratte durch die Wanderratte mehr und mehr verdrängt wird, da diese im heutigen Umfeld konkurrenzstärker ist. In Deutschland ist die Hausratte auf der roten Liste der gefährdeten Arten. Die meisten Nachweise gibt es aus Brandenburg, Sachsen sowie Sachsen-Anhalt, in anderen Bundesländern bestehen meistens nur kleine Verbreitungsinseln. Große Populationen der Hausratte kommen nur noch in den Mittelmeerländern vor. Übrigens: Dass eine Tierart auf der roten Liste steht, bedeutet nicht zwingend, dass sie auch im Sinne des Gesetzes geschützt ist.

Haus- und Wanderratte fallen daher auch nicht unter die Bundesartenschutzverordnung. Laut Anlage 1 der BAV sind alle heimischen Säugetiere, mit Ausnahme der Haus- und Wanderratte, sowie einigen Mäusen, geschützt. Gegen eine Haltung von Haus- und Wanderratte ist also zumindest aus naturschutzrechtlicher Sicht nichts einzuwenden, bzw. eine Genehmigung der Naturschutzbehörde nicht erforderlich.

Wanderratten werden fast überall, wo sie auftreten, bekämpft. Sie werden als Krankheitsüberträger, Nahrungsmittel- und Materialschädlinge verteufelt. Immer noch wird ihr Name mit der Pest in Zusammenhang gebracht, obwohl es bis heute umstritten ist, dass es wirklich die Ratte war, die diese Seuche nach Europa brachte. Aber selbst dann wäre sie auch nur Opfer, denn es ist ja der Floh, der die Krankheit überträgt. Außer der Ratte gibt es noch ca. 230 Tierarten, die die Pest übertragen können, und mit der Beulenpest kann auch der Mensch seine Artgenossen anstecken. Was andere Krankheiten betrifft, die von Ratten verbreitet werden können, so ist wohl der Mensch nicht gerade auf die Ratte"angewiesen". Wir schaffen uns unsere Krankheiten selber. Unzählige Allergien, hervorgerufen durch Umweltgifte, Bakterien, die zum Teil schon resistent sind gegen Antibiotika, radioaktiv bestrahlte Lebensmittel,mit Pestiziden und Insektiziden besprühte Felder, BSE, "Vogelgrippe", usw. usw.

Es heißt, Ratten vernichten Lebensmittel- oder Erntevorräte. Unbestritten, dass eine Ratte pro Tag ca. 15 - 20 Gramm Nahrung zu sich nimmt, vor allem pflanzliche. Unbestritten ist aber auch, dass der Mensch Millionen Tonnen Lebensmittel vernichtet, teils weil viel mehr produziert als benötigt wird, vor allem in den "reichen" Ländern, aber auch um die Preise stabil zu halten oder sie künstlich in die Höhe zu treiben. Ratten werden auch "beschuldigt", hohe Sachschäden an Gebäuden anzurichten. Allerdings trifft es nicht zu, dass sie auch dafür verantwortlich sind, wenn jährlich alleine in Deutschland riesige Summen investiert werden müssen, um Schäden an Gebäuden durch zunehmende Luftverschmutzung zu beseitigen. Man sollte immer bedenken, dass der Mensch mit seiner Lebensweise Ratten geradezu anzieht und ihnen erst ihre guten Lebensbedingungen ermöglicht. Mangelnde Hygiene, wachsende Abfallmengen, verschwindende natürliche Biotope oder abnehmender Druck durch ihre natürlichen Feinde, und der Mensch wundert sich, dass es so viele Ratten gibt.....?

Wie gesagt, erst der Mensch teilte die Natur ein in Nützliches und Schädliches. Wenn einmal jemand Höheres die Natur einschließlich des Menschen beurteilen wird, in welche Kategorie werden wir wohl eingeordnet werden?

Wanderratten im Garten

Wenn jemand in seinem Garten zum ersten Mal Ratten beobachtet, so muss er nicht gleich in Panik geraten, denn es bedeutet nicht zwingend, dass diese Tiere, sofern es sich nicht gleich um ein ganzes Rudel, bzw. ein "Paar" handelt, das Gebiet auch als geeignet betrachtet, um dort eine Familie zu gründen oder sich anzusiedeln. Oft sieht man auch Einzeltiere, die sich nur auf der "Durchreise" befinden. In der Regel besiedelt ein neu angekommenes Rattenpaar zunächst ein Revier, das es gegen Fremde verteidigt, d. h., weitere fremde Ratten, die sich ebenfalls dort ansiedeln möchten, werden von dem vorher angekommenen Paar vertrieben. Wanderratten lassen sich gerne dort nieder, wo sie ausreichend Nahrung und einen geschützten Platz finden, um ihre Jungen aufzuziehen.

Über die Nachkommenschaft werden oft rein theoretische und unsinnige Zahlen verbreitet. Es gibt genügend natürliche Feinde, wie Katzen, Marder und Greifvögel, ja selbst Füchse, die inzwischen ebenso wie Wanderratten die Städte besiedeln und zum Teil recht zahlreich vertreten sind und damit auch zur Dezimierung von Mäusen und Ratten beitragen. Die Vermehrungsrate von Wildratten ist zudem von der Reviergröße abhängig, so dass es zu keiner Ratteninvasion kommen muss. In den Wintermonaten ziehen Wanderratten außerdem keinen Nachwuchs auf, anders als Heimtierratten, die das ganze Jahr über trächtig werden können.

Wanderratten siedeln sich in einem Garten, der wenig bis keine Deckung und nicht genügend Nahrung (z. B. einen Kompostplatz) bietet, kaum an. Jeder, der keine Wanderratten in seinem Garten haben möchte, kann durchaus vorbeugen, indem nicht wahllos jegliche Nahrungsmittel auf dem Kompost deponiert werden. Dieser sollte außerdem gut abgedeckt sein. Wer dennoch hin und wieder eine Ratte in seinem Garten laufen sieht, muss und sollte deshalb nicht immer gleich zu Gift greifen. Das kann für Kinder, Haustiere, andere Wildtiere und Nützlinge gefährlich werden. Beim zuständigen Forstamt, Jägern oder Naturschutzämtern kann sich jeder nach Lebendfallen erkundigen (die auch im Internet angeboten werden). Am besten eigenen sich sogenannte "Frettchen- oder Marderfallen", die sind rundum geschlossen und aus Holz. Gitterfallen sind völlig ungeeignet, wenn man die Tiere lebend fangen möchte, um sie an einem anderen Platz wieder frei zu lassen. Mit etwas Zeit und Mühe gelingt es in der Regel immer, die Ratten lebend zu fangen. Die Fallen sollten geschützt aufgestellt werden. Als Köder reichen oft schon ein paar Sonnenblumenkerne. Enorm wichtig ist, dass diese Fallen mehrmals täglich kontrolliert werden müssen (am besten morgens, mittags und in den späten Abendstunden), denn ein gefangenes Tier kann durch den Stress und die Todesangst einen qualvollen Tod erleiden.

Ratten bevorzugen zwar Kammern und Gänge, die Umgebung in einer Lebendfalle ist für sie also nicht per se unangenehm. Für Ratten ist aber die freie Beweglichkeit sehr wichtig. Wird diese stark eingeschränkt, so ist das Tier alarmiert. Im Fachjargon spricht man von einem "restraint" - Stress.

Dabei werden drei physiologische "Stressachsen" aktiviert :

    (1)

Über die sogenannte HPA-Achse wird das Hormon Corticosteron ausgeschüttet, das eine Vielzahl von Wirkungen hat (u.a. ist es kreislaufberuhigend und kann sogar den Körper in einen Starre-Zustand versetzen)

    (2)

Das sympathische Nervensystem wird aktiviert (Ausschüttung von Adrenalin, Temperatur steigt, Herzfrequenz und Blutdruck steigen, Sinne sind geschärft, evtl. Überaktivität) und

    (3)

interne Schmerzdämpfung durch Ausschüttung körpereigener Opioide wie Endorphin.

Jedes Individuum reagiert auf eine solche Stresssituation etwas anders: beim einen überwiegt die 'Abduck'-Reaktion (1), beim andern die aktive, manchmal panische Auseinandersetzung (2). Beide Reaktionen sind zwar 'natürlich', können aber, wenn sie länger andauern, den Körper (z.B. das Herz) stark schädigen. Bitte deshalb die Ratte nicht stundenlang in der Kastenfalle belassen, sondern so weit möglich, schnellstens aus der Falle befreien und an einem geeignetem Ort freilassen!

Es ist deshalb ratsam, bereits vor dem Aufstellen der Falle gut zu überlegen, wo das gefangene Tier freigelassen werden kann und vorher einen geeignet Ort zu suchen. Welches Gebiet sich am besten eignet ist im Kapitel "Aufzucht von Wildrattenbabys" beschrieben. Es sollte beachtet werden, dass man eine gefangene Ratte nicht gleich gegenüber auf einem Feld freilassen sollte, denn sie findet sonst schnell den Weg zurück in ihr altes "Revier". Am besten ist es, die Falle mitsamt gefangener Ratte im Kofferraum des Autos unterzubringen und das Tier dann so schnell wie möglich in dem vorher ausgesuchten Areal freizulassen.
Niemand sollte ein Tier immer sofort töten, nur weil es einen Raum zum Leben sucht und dabei zufällig in den Lebensraum des Menschen vordringt. Schließlich nehmen wir immer mehr von der natürlichen Umwelt der Tiere in Anspruch, aber jedes Lebewesen hat ebenso wie wir Menschen eine Daseinsberechtigung und eine ihm zugedachte Aufgabe, die es im Verbund mit der Natur erfüllt.