Wanderratten, Hausratten
Wander- und Hausratten als Heimtiere?
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es für viele Rattenliebhaber ein Traum ist, einmal "echte" Wanderratten oder gar Hausratten zu halten. Auch wenn mein Traum wahr wurde und ich viele wertvolle Erfahrungen sammeln konnte, bitte ich jeden, es sich sehr gut zu überlegen, damit aus dem Traum kein Albtraum wird.
Alle, die sich nicht mindestens mehrere Stunden täglich um ihre "wilden" Ratten kümmern können, sollten sich lieber "zahmen" Farbratten widmen.
Wanderratten wie Hausratten erfordern besonders viel Zeit, wenn sie so zutraulich werden sollen wie unsere domestizierten Ratten, bzw. sich auch nur annähernd so zu verhalten wie Farbratten .
Wanderratten, Hausratten und Halbwilde sind mitunter extrem zurückhaltend und scheu, reagieren weitaus ängstlicher auf unbekannte Geräusche und Veränderungen im Umfeld. Falsches Handling führt schnell zu Angstbeißern.
"Echte" Wanderratten erfordern viel Fingerspitzengefühl, da sie sich sonst dem Menschen entziehen.
Wer überhaupt noch keine Erfahrung mit Ratten hat sollte lieber auf die Haltung von Wildratten verzichten.
Obwohl alle Wanderratten, die bis jetzt bei mir lebten, schon als Babys zu mir kamen, so auch meine Daisy, konnte ich sie anfangs nur mit Handschuhen anfassen. Sie hatte, bevor sie bei mir einzog, offensichtlich ein Trauma erlitten, wollte sich nicht hochnehmen lassen und biss wild um sich. Tagelang nahm ich sie täglich für mindestens 1 Stunde mit in einen kleinen Raum, wo sie sich im Falle eines Fluchtversuches nirgends hätte verstecken können. Wanderratten lassen sich, wenn sie einmal in einem Versteck (z.B. hinter einem Schrank) Schutz gefunden haben, nicht mehr so leicht "hervortreiben". Im Gegensatz zu Wanderratten, die gezielt ein solches Versteck aufsuchen, das sie so schnell freiwillig nicht verlassen werden, flüchten Hausratten in Panik in alle Richtungen, in der Tendenz immer nach oben. Ich nahm meine Daisy also täglich aus dem Käfig, hielt sie zwischen beiden Händen, sprach beruhigend auf sie ein, berührte sie zart und mit der Zeit verlor sie ihre fürchterliche Angst. Sie versuchte, sich nicht mehr zu wehren, sich mir zu entziehen, ließ das Beißen, so dass ich sie ohne Handschuhe festhalten konnte. Als sie mir endlich völlig vertraute, konnte ich sie erfolgreich in meine Farbrattengruppe integrieren.
Mit Speedy, einer meiner kleinen Hausratten, war es noch komplizierter. Der Kleine war so scheu und sensibel, dass ihn anfangs jedes Geräusch in Panik versetzte, so dass ich ihn niemals zusammen mit all den anderen Ratten frei laufend hätte halten können. Wunderbarerweise verstand er sich gut mit meinem Wanderrattenmädchen Lady, die beiden lebten harmonisch zusammen. Jeden Abend verbrachte ich lange Zeit mit ihnen, wobei Speedy stets unter meinem Pullover Schutz suchte. Nachwuchs musste ich nicht befürchten. Haus- und Wanderratten verpaaren sich nicht untereinander.
Wer nun glaubt, dass Wildratten länger leben oder nicht krank werden, der irrt. Wanderratten bekommen die gleichen Krankheiten, an denen auch Farbratten so oft leiden, von Atemwegserkrankungen bis hin zu Tumoren. Hier stellt sich die Frage: Macht man es sich nicht zu leicht, wenn man meint, dass den Farbratten die Krankheiten vom Menschen angezüchtet wurden? Und: Gewinnt man denn Positives, wenn Farbratten mit Wanderratten gekreuzt werden? Den Mischlingen geht wertvolles Erbgut verloren und sie würden Eigenschaften erhalten, die von den meisten Rattenliebhabern nicht gewünscht wären, nämlich Scheu und Zurückhaltung gegenüber dem Menschen. Werden Jungtiere von Haus- und Wanderratte zusammen aufgezogen oder in der Jugendphase zusammengeführt, sind, was eine gemeinschaftliche Haltung betrifft, bei entsprechender Unterbringung in der Heimtierhaltung keine Probleme zu erwarten. Das konnte ich auch gut an meinen Tieren beobachten.
Neben einigen physiologischen Unterschieden zwischen Haus- und Wanderratte haben beide eine annähernd gleiche soziale Struktur. So leben z. B. beide in Großfamilien. Hausratten sind im Vergleich zu Wanderratten weitaus scheuer, jedoch weniger aggressiv als diese. Die Hausratte ist zwar wendiger als die Wanderratte, jedoch wird sie bei einer Begegnung meist unterlegen sein, da sie körperlich schwächer ist. Kommt es unter natürlichen Bedingungen zu einer Konfrontation, zeigt die Hausratte gegenüber der Wanderratte aggressives Verhalten, was darauf zurückzuführen ist, dass letztere sich als nahe Verwandte der Hausratte ähnlich verhält wie eine revierfremde Hausratte und deshalb angegriffen wird.
Ein weiteres Merkmal, das der Bestimmung von Haus- oder Wanderratte dient, ist, dass der Schwanz von Hausratten immer gleichmäßig gefärbt ist, also oben wie unten, wo hingegen bei Wanderratten die Unterseite des Schwanzes hell ist. Die Ohren von Hausratten sind gänzlich unbehaart und extrem groß (sie lassen sich, wenn man sie nach vorne "biegt" über die Augen "ziehen". Bei Wanderratten reichen sie höchstens bis zu den "Augenbrauen". Wander- und Hausratte unterscheiden sich außerdem noch durch unterschiedliche Drohgebärden.
In Europa ist die Zahl der Hausratten stark rückgängig. Als ein Grund wird gesehen, dass die Hausratte durch die Wanderratte mehr und mehr verdrängt wird, da diese im heutigen Umfeld konkurrenzstärker ist. In Deutschland ist die Hausratte auf der roten Liste der gefährdeten Arten. Die meisten Nachweise gibt es aus Brandenburg, Sachsen sowie Sachsen-Anhalt, in anderen Bundesländern bestehen meistens nur kleine Verbreitungsinseln. Große Populationen der Hausratte kommen nur noch in den Mittelmeerländern vor. Übrigens: Dass eine Tierart auf der roten Liste steht, bedeutet nicht zwingend, dass sie auch im Sinne des Gesetzes geschü:tzt ist.
Haus- und Wanderratte fallen daher auch nicht unter die Bundesartenschutzverordnung. Laut Anlage 1 der BAV sind alle heimischen Säugetiere, mit Ausnahme der Haus- und Wanderratte, sowie einigen Mäusen, geschützt. Gegen eine Haltung von Haus- und Wanderratte ist also zumindest aus naturschutzrechtlicher Sicht nichts einzuwenden, bzw. eine Genehmigung der Naturschutzbehörde nicht erforderlich.
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