Rattengeschichten - Josy |
Josy ist ein kleines Huskymädel,und da sie genauso alt ist wie meine drei Dalmatinermädchen, habe ich kurzerhand aus dem "Trio" ein "Quartett" gemacht.
Josy kommt aus Tschechien von einem dieser Futterrattenzüchter, der seine Ratten in dunklen, stinkenden Kisten hält. Niemals sehen diese Ratten das Tageslicht. Die Kisten werden nur geöffnet, wenn ein "Kunde" kommt. Viele der Rättlein werden gerade mal ein paar Tage alt, ab und zu werden weibliche Ratten "aussortiert". Sie sind dazu bestimmt, so lange sie leben, Nachwuchs zu "produzieren". Wenn sie dann ausgedient haben und nicht mehr genügend Babys bringen, werden auch sie aus der Kiste geholt...
Josy hat sich eben erst von ihrem aus Tschechien mitgebrachten, schlimmen Abszess am Hals erholt, als mir beim Integrieren in meine alteingesessene Gruppe ein schlimmes Missgeschick passierte. Um eine kleine Auseinandersetzung zu schlichten, musste ich mich vom Sofa -auf dem sich zu dem Zeitpunkt alle meine Ratten aufhielten - kurz erheben. Als ich mich wieder niederlassen wollte, habe ich mich versehentlich auf Josy gesetzt.
Zwar hatte ich mich vorher umgesehen, aber die Kleine war in Sekundenschnelle herbeigehuscht, so dass ich das Unglück nicht mehr verhindern konnte. Ich habe sie sofort hochgenommen und hörte mit Erschrecken, dass sie "pfeifend" atmete. Ich habe sie einige Zeit beobachtet und nachdem die Atmung wieder "normal" erschien, wieder zu den anderen gesetzt. Bereits einen Tag später aber verschlechterte sich Josys Zustand. Ihre Atemfrequenz stieg rapide an und sie atmete zeitweise mit geöffnetem Mäulchen.
Ich telefonierte sofort mit meiner Tierärztin, die meinte, es könne sich unter Umständen um eine Lungenquetschung, schlimmstenfalls um einen Lungenriss handeln, beides wäre bei so einem kleinen Tier nicht therapierbar und müsse infolgedessen "von selbst" heilen.
Nachdem es der Kleinen zusehends schlechter ging, setzte ich sie in einen "Krankenkäfig" und rief wieder bei der Tierärztin an. Die Auskunft war für mich ebenso niederschmetternd wie unbefriedigend! Sie meinte, wenn sich der Zustand so akut verschlechtert hätte, wäre wohl keine Besserung mehr zu erwarten und Josy müsste eingeschläfert werden! Ich machte mir größte Vorwürfe und wollte mich nicht damit abfinden, dass eine nur wenige Wochen alte Ratte sterben sollte, nur weil ich einen Moment unachtsam war.
Dabei sollte Josy doch ein ganzes Rattenleben lang bei mir bleiben, anders als ihre Wurfgeschwister, die in Tschechien zurückbleiben muussten. Ich konnte nur 4 von ihnen mitnehmen, die drei anderen kamen bei guten Freunden unter. In meiner Not rief ich einen Spezialisten für Kleinsäuger an, erklärte ihm die Symptome und teile ihm mit, was meine Tierärztin mir vorgeschlagen hatte. Er meinte, ich solle zunächst unbedingt auf einer Röntgenaufnahme bestehen. Desweiteren müsse die Ratte unbedingt ein Schmerzmittel bekommen (z. B. Buscopan) oder Valium zur Ruhigstellung. Valium hatte ich zu Hause und habe der Kleinen sofort eine geringe Dosis verabreicht.
Am nächsten Tag wurde sie (von einer anderen Tierärztin) geröntgt. Diese schleppte lange, dicke Handschuhe an. Damit wollte man meine kleine Ratte auf dem Röntgentisch fixieren. Auf meinen Einwand, dass man so ein kleines Tier mit derartigen Handschuhen nicht festhalten könne, bekam ich zur Antwort, dass dies zum Schutz der Hände vor den Strahlen nötig sei. Ich erklärte mich bereit, mein Rättlein selbst festzuhalten und ohne Handschuhe röntgen zu lassen, was mir dann auf eigene Verantwortung "erlaubt" wurde.
Josy regte sich beim Röntgen derart auf, dass ich glaubte, sie würde noch beim Tierarzt in meinen Händen sterben. Sie pumpte massiv nach Luft. Auf mein Bitten bekam sie dann endlich eine Valiuminjektion. Nach bangen, schier endlos dauernden Minuten zeigte sich dann endlich eine Wirkung des Medikamentes. Josy wurde ruhiger!
Zu allem Übel musste jedoch die Röntgenaufnahme wiederholt werden, da der Apparat nicht auf Kleintiere ausgelegt ist und das Bild zu hell belichtet war. Auf dem Röntgenbild war zu erkennen, dass keine Rippen gebrochen und das Zwerchfell unverletzt war. Man konnte sehen, dass nur ein Lungenflügel beatmet wurde. Der andere zeigte eine dunkle Verfärbung, was mit der Erklärung gedeutet wurde, dass hier wohl eine Blutung, bzw. ein Hämatom entstanden sei. Daher auch die großen Probleme beim Atmen. Josy bekam noch ein Mittel zum Entwässern gespritzt. Einige Diuretika, also entwässernde Mittel, fördern auch gleichzeitig die Lungendurchblutung, so dass in diesem speziellen Fall der Wasserverlust wohl eher ein Nebeneffekt war. Die eigentliche Wirkung besteht aus einer gesteigerten Duchblutung, wodurch auch die Lungenbläschen stärker durchblutet werden, so dass pro Zeiteinheit mehr Blut zur Sauerstoffaufnahme die Lungen passiert und die Ratte trotz vermindertem Lungenvolumen mehr Sauerstoff bekommt.
Die Ärztin meinte abschließend, dass es meine Ratte nun weiter allein schaffen müsse. In den nächsten drei bis vier Tagen hatte Josy trotz Gabe von Diazepam und Diuretika massive Atemprobleme und natürlich größte Schwierigkeiten, selbst Babybrei zu essen. Es war so schlimm, dass sie sich senkrecht aufstellte und mit den Händen festhielt, um dadurch eine Erleichterung beim Atmen zu bekommen. Ich hatte nicht mehr viel Hoffnung und war, nachdem immer noch keine Besserung zu erkennen war, fest entschlossen, ihr weiteres Leid zu ersparen und sie am folgenden Tag einzuschläfern.
Am nächsten Morgen jedoch traute ich kaum meinen Augen! Josy atmete völlig normal! Ich verabreichte ihr dennoch eine Woche lang auf Anraten des Arztes ein Antibiotikum. Nun, nach drei Wochen, geht es Josy wieder sehr gut und sie springt vergnügt mit ihren "Geschwistern" umher. Hätte ich auf den Rat der ersten Tierärztin gehört, läge Josy nun schon unter der Erde. Daher meine Empfehlung, bei unklarer Diagnose unbedingt den Rat mehrerer Tierärzte einholen und auf keinen Fall eine Ratte vorschnell einschläfern lassen, sofern noch eine Möglichkeit besteht, ihr doch noch helfen zu können.
Viele Krankheiten gehen zunächst einmal mit Schmerzen einher, doch auch ebenso viele Krankheiten können geheilt werden. Ein wenig Geduld allerdings sollte man schon haben, auch wenn der Anblick einer schwerkranken Ratte einem selbst emotionale Probleme bereitet. Auch für mich war der tägliche Kampf meiner kranken Josy oft unerträglich, ich wollte ja auch nicht, dass sie unverhältnismäßig leiden sollte. Sicher ist es nicht leicht, immer die richtige Entscheidung zu treffen, schließlich will man seinem Tier unnötige Schmerzen ersparen. Wenn jedoch noch ein Funke Hoffnung besteht, der durch einen Tierarzt bekräftigt wird und es sich zudem noch um ein sehr junges Tier handelt, dann sollte man nichts unversucht lassen, die Ratte gesund zu pflegen. Josy wurde erfolgreich behandelt und behielt keine Folgeschäden.
Sie wurde fast 3 Jahre alt!
Erika Weiß-Geißler,
Im November 1997