Warum Ratten?

Warum Ratten - und warum nicht

Warum überhaupt sind Ratten so ideale Heimtiere, als die sie oft bezeichnet werden?

Nun, so einfach ist die Frage nicht zu beantworten, zumal es im Wesentlichen so nicht zutrifft. Ratten sind entgegen irrtümlich verbreiteter Meinung keine "pflegeleichten" Haustiere. Sie stellen hohe Ansprüche an Haltung und Pflege. Sie brauchen zum Beispiel neben einem sehr großen Käfig entsprechen viel Freilauf, Kontakt zu Artgenossen, ebenso zu ihren Menschen, der sich ausreichend mit ihnen beschäftigen sollte.

Werden diese Bedürfnisse nicht erfüllt, so stellen sich Krankheiten und Verhaltensauffälligkeiten ein. Letztere können sich unter anderem durch Unverträglichkeit Rudelmitgliedern und Bissigkeit dem Menschen gegenüber äußern. So kann aus dem ehemals "idealen" Haustier schnell ein kleines Monster werden, an dem kein Mensch mehr Freude haben wird.

Bei richtigem Umgang jedoch sind Ratten intelligente, interessante, liebenswerte und faszinierende Tiere, die unsere Herzen im Sturm erobern und uns mit ihrem Charme bezaubern.

Durch ihre mehr oder minder stark ausgeprägten Charakterunterschiede verfügen alle Ratte über individuelle Eigenschaften und nicht jede von ihnen ist oder wird eine ausgesprochene "Schmuseratte". So gibt es immer wieder Exemplare, deren Bindung zum Menschen nicht ganz so eng sein wird. Aber eben das finde ich, macht diese bezaubernden Tiere so liebenswert und interessant und oft sind es gerade scheue und ängstliche Tiere, die sich in unser Herz schleichen und dort für immer einen Platz finden. Aber ob frech, vorwitzig und mutig, scheu oder ängstlich, stürmisch und draufgängerisch, keine wird je einer anderen gleichen und wir kommen nicht umhin, sie alle zu mögen, so wie sie sind, mit all ihren unterschiedlichen Eigenheiten.

Voraussetzung für ein glückliches Zusammenleben Ratte/Mensch ist, dass alle Familienmitglieder zu den neuen Mitbewohnern stehen. Kinder verlieren häufig schnell das Interesse und so bleibt es nicht aus, dass die Eltern sich der Haustiere annehmen müssen. Ist eine Entscheidung gefallen und sind sich alle einig, dass als Hausgenossen Ratten geeignet scheinen, steht dem Einzug der liebenswerten Nagetiere nichts mehr im Weg.

Doch hier noch einige weitere Vorzüge, die unseren Ratten zu Eigen sind.

Ratten sind sehr saubere und reinliche Tiere. Sie betreiben ausgiebige Körperpflege und haben keinen unangenehmen Eigengeruch. Sie zeichnen sich durch ihr ausgeprägtes Sozialverhalten aus und schließen sich bei entsprechender Pflege eng an ihre Menschen an.

Ratten sind äußerst aktive Bewegungstiere. Es macht einfach Spaß, sie dabei zu beobachten, wie sie flink und behände auch schwierige Hindernisse spielerisch leicht überwinden.

Ratten sind geschickte Kletterer. Hausratten sind zwar noch bessere Balancekünstler, doch reichen die Fähigkeiten unserer Farbratten allemal aus, um uns immer wieder in Erstaunen zu versetzen.

Vor allem, wenn sie mit viel Geschick und Spürsinn die nähere Umgebung erforschen und immer neue Wege suchen, allerlei Unsinn anzustellen.

Ratten sind schlaue und muntere Haustiere. Mit Geduld und Liebe lernen manche besonders kluge Exemplare auch kleine Kunststückchen. Einigen kann man sogar beibringen, auf ihren Namen zu hören. Wenn man vor allem junge Ratten immer wieder mit dem Namen anspricht und ihnen durch Streicheln, kurzes Hochnehmen oder eine kleine Belohnung zeigt, dass sie gemeint sind, lernen sie tatsächlich, darauf zu hören und die eine oder andere kommt sogar auf Zuruf.

Ratten sind intelligent! Wer von uns Rattenliebhabern wüsste das nicht. Und: Selbstverständlich kann man auch ohne Ratten leben - aber es lohnt sich nicht!

Argumente gegen Rattenhaltung

Ratten nur als die idealen Haustiere anzupreisen, könnte dazu führen, dass sie als Geschöpfe betrachtet werden, die sich praktisch von selbst pflegen, nie erkranken oder keines Zeitaufwandes bedürften. Ich möchte deshalb an dieser Stelle auf einige Besonderheiten hinweisen, die Tierliebhabern, die gerne Ratten halten wollen, vielleicht helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.

Ratten haben keine sehr große Lebenserwartung. Mit 2 Jahren ist eine Ratte schon als älter zu bezeichnen, und einige, die vielleicht ein Alter von 3 Jahren erreichen, sind dann oft krank und gebrechlich. Meist bleiben nur wenige gesund und munter bis in den Herbst ihres Lebens. Für viele Rattenliebhaber, die sehr an ihren Tieren hängen, kann das Miterleben des Altwerdens eine große Belastung sein. Der Tod ihres geliebten Tieres trifft nicht wenige Menschen sehr tief. Zwar ist das bei vielen anderen Tieren ebenso, doch darf man mit diesen meist eine sehr viel längere Zeit verbringen.

Ratten leiden wie nur wenige andere Tiere extrem unter artspezifischen Krankheiten. Die beiden häufigsten sind Atemwegserkrankungen und Tumoren. Auch junge Tiere sind oft schon davon betroffen und es gibt bis heute keine wirklich Abhilfe schaffenden Medikamente gegen Erkrankungen des Respirationstraktes. Der Anblick unter Atemnot leidender Ratten kann sehr schmerzlich sein und das Wissen, dass mit verschiedenen Antibiotika zwar momentan und für einige Zeit Linderung erzielt wird, das Tier aber nicht für immer geheilt werden kann und vielleicht bald stirbt, ist ebenfalls sehr belastend. Möglicherweise ist es notwendig, häufig einen Tierarzt zu konsultieren, und ich bitte jeden zu bedenken, dass diese Besuche mit nicht wenig Geld bezahlt werden müssen.

Ratten können (wie auch 1000 andere Tierarten oder anorganische Stoffe) Allergien auslösen. Ein Allergietest beim Hautarzt ist gewiss zu empfehlen, bevor man sich zur Rattenhaltung entschließt. Eine andere Möglichkeit, eine eventuell bestehende Empfindlichkeit herauszufinden wäre, sich vor dem Kauf von Ratten einige Zeit mit ihnen zu beschäftigen, etwa in einem Tierheim.

Eine Allergie kann sich beim betroffenen Menschen sehr schlimm äußern, da wäre es doch wirklich das Beste, er hätte sich noch gar keine Ratten gekauft. Natürlich kann eine Unverträglichkeit auch viel später nach dem Kauf von Ratten auftreten. Wie sich der Rattenhalter dann entscheidet, bleibt selbstverständlich jedem selbst überlassen, doch wenn keine Gefahr für das Leben des Tierbesitzers besteht, dann könnte er die Tiere behalten, bis sie sterben. Um den Tieren unnötiges Leid, oder auch Endstation Tierheim und dem Menschen die Enttäuschung zu ersparen, wäre es allemal besser, sich v o r der Anschaffung von Ratten einem Allergietest zu unterziehen.

Ratten sind keine Einzeltiere und sollten daher auch nicht als solche gehalten werden. Sie leben in mehr oder minder großen Rudelverbänden und brauchen Kontakt zu Ihresgleichen. Wer glaubt, er könne als Mensch seiner Ratte einen Artgenossen ersetzen, der irrt.

Das Argument "ich beschäftige mich sehr viel mit meiner Ratte" darf und kann keine Rechtfertigung für Einzelhaltung dieser geselligen Nager sein. Es ist davon auszugehen, dass sich niemand rund um die Uhr um seine Ratte kümmern kann. Wer dieses elementare Grundbedürfnis nach Gemeinsamkeit, also die Haltung von mindestens zwei, besser drei Ratten nicht erfüllen kann oder gar möchte, sollte sich im Interesse der Tiere gut überlegen, ob Einzelhaltung vertretbar ist.

Ratten haben Eigenschaften, die individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Beispielsweise gibt es einzelne Individuen, die mit Vorliebe alles und jeden mit ihrem Harn markieren. Auch beim Freilauf in der Wohnung können sich daher überall ihre Hinterlassenschaften wiederfinden. Wem diese Vorstellung alleine schon unangenehm ist, der sollte wissen, dass Ratten, die dieses Bedürfnis haben, gar nicht so selten sind. Bevor jemand dann deswegen seine Tiere immer daran hindert, Körperkontakt mit ihm aufzunehmen, wäre es vielleicht auch besser, er würde erst gar keine halten.

Ratten sind Nagetiere und machen von ihrem Nagetrieb meist regen Gebrauch. Dieser kann und darf nicht unterbunden werden, da er zu den natürlichsten Verhaltensweisen, beziehungsweise Bedürfnissen von Nagern gehört. Sie sollten daher ohne Aufsicht niemals Freilauf erhalten. In erster Linie besteht die Gefahr, dass Kabel durchgebissen werden, was meist den Tod des Tieres zufolge hat. In zweiter Linie können Ratten sämtliches Mobiliar be- und zernagen, was ihnen auf Grund ihrer bewährten Nagezähne oft innerhalb weniger Minuten gelingt.

Manche Ratten brauchen lange, bis sie sich mit anderen Artgenossen vertragen. Die Integration einer oder mehrerer Ratten kann eine nervenaufreibende Angelegenheit sein. Große Geduld, manchmal über Wochen, ist nötig, um Erfolg zu haben. Wer diese Geduld nicht aufbringen kann und daher nur eine Ratte halten möchte, sollte bedenken, dass sein Tier dabei nicht glücklich ist. Ratten sind eben sehr soziale Tiere und ob der Mensch dem einzelnen Tier soviel geben kann wie ein oder besser mehrere Artgenossen, ist doch sehr fraglich. Ratten sind Rudeltiere und nicht für Einzelhaltung geeignet.

Liebe Eltern, deren kleine Kinder unbedingt eine Ratte haben möchten (so süß, so putzig): Bitte überlegt gut, ob Ihr dem Drängen sofort nachgebt. Ich empfehle, einige Wochen abzuwarten, ob der Wunsch dann überhaupt noch aktuell ist oder Computerspiele nicht doch interessanter sind als die Beschäftigung mit Ratten.

Für Kinder unter 10 Jahren ist die Haltung von Ratten und anderen kleinen Nagern ohnehin nicht, bzw. nur bedingt geeignet. Zwar wurde in Studien herausgefunden, dass Schulkinder sich rücksichtsvoller und weniger aggressiv verhalten, wenn sie mit Tieren aufwachsen, deshalb kann es durchaus von Vorteil sein, wenn Kindern die Möglichkeit gegeben wird, eine Beziehung zu Haustieren aufzubauen, doch müssen sich Eltern bewusst werden, dass ihr Sprössling sich vielleicht doch nicht in ausreichendem Maße um die Vierbeiner kümmert als erwartet oder nötig.

Mit "erpresserischen Maßnahmen" ein Kind zu einem verantwortungsbewusstem Menschen erziehen zu wollen, wie etwa "wenn du deine Tiere nicht fütterst, bekommst du Hausarrest" oder dergleichen, ist kaum der richtige Weg und hat nicht selten fatale Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere, die oft aus Trotz erst Recht nur unzureichend, im schlimmsten Fall überhaupt nicht mehr versorgt werden, weil Kinder sie für ihre "Strafe" verantwortlich machen. Das mag sicher auch einer der Gründe sein, warum so viele Tiere in Tierheimen abgegeben oder einfach ausgesetzt werden. Ein gutes Beispiel menschlicher Unvernunft zeigte der Fall unzähliger Dalmatiner, die in amerikanischen Tierheimen sitzen und dort sogar getötet werden, weil kein Platz mehr für sie da ist. 101 Dalmatiner sind eben nur im Film lustig, wenn dann zuhause Arbeit mit dem Tier anfällt, vergeht vielen das Lachen.

Letztendlich tragen allein wir alle die Verantwortung, ob und wenn Kinder mit Tieren verantwortungs- und achtlos umgehen. Eltern, die im Normalfall Filme wie Ratatouille (und nicht nur diesen) gemeinsam mit ihren Kindern ansehen sollten, müssen sie darüber aufklären, dass ein (Trick)-Film eben gar nichts damit gemein hat, wie sich Tiere in der Realität verhalten. Wenn unzählige Dalmatiner, Nemos, und viele andere Tiere leiden müssen, weil sich Eltern und Erziehungsberechtigte zu wenig Gedanken machen über die Folgen einer überstürzten Anschaffung von Tieren, dann ist das nicht die Schuld der jeweiligen Filmemacher, sonder hier müssen wir uns schon selbst an die eigene Nase fassen! Immer nur andere oder die berühmten "äußeren Umstände" verantwortlich machen zu wollen, ist der falsche Weg!

Also: Nicht nur einer plötzlichen Laune nachgeben und ein Tier erwerben, das gerade "in" ist, wie es bei der Ratte leider zweifellos (noch immer) der Fall ist.