Abschied

"Wenn es im Himmel keine Ratten und keine Hunde gibt,
dann möchte ich, wenn ich sterbe, dahingehen,
wo sie hingegangen sind".

Frei nach (Will Rogers, 1897-1935)

ewg



Jeder Rattenhalter weiß, dass er irgendwann einmal vor der Entscheidung steht, seine schwerkranke Ratte zu erlösen, bzw. erlösen zu lassen. Die wenigsten Ratten tun uns den "Gefallen" und schlafen friedlich ein, ohne wieder aufzuwachen. Den richtigen Zeitpunkt zu treffen, ist oft ein schwerer Gewissenskonflikt und zieht die Frage nach sich, ob man auch richtig gehandelt hat. Viele sind sich auch unsicher, welches Kriterium sie denn heranziehen sollen, um den hoffnungslosen Zustand ihres Tieres beurteilen zu können.

Ich war immer der Meinung, dass der Wille einer Ratte, Nahrung aufzunehmen,sowie die Tatsache, dass sie dazu auch tatsächlich in der Lage ist, eine sehr gute Möglichkeit bietet zu erkennen, ob das Tier selbst leben w i l l. Auch die von mehr dazu befragten Tierärzte bestätigten mir, dass sie dies selbst als Anhaltspunkt nehmen, stehen sie vor einer solchen Entscheidung. Und in der Tat wird jeder Tierarzt oft in diese Lage kommen.

Wie oft schon standen Rattenliebhaber vor der Frage, ob sich ihr Tier nicht nur mehr quält, wenn sie z. B. bei Atemwegserkrankungen immer wieder zu Antibiotika greifen müssen. Ich finde, wenn die Ratte trotz ihrer Krankheit immer noch gerne und gut frisst, ist das ein Zeichen einer immer noch bestehenden Lebensqualität für die Ratte.

Anders sieht es aus, wenn das Leben einer Ratte, übertrieben ausgedrückt, nur noch aus Anfällen akuter Atemnot oder Erstickungsanfällen besteht und diese in kurzen Abständen regelmäßig auftreten. Auch bei vorhandenen Tumoren, sofern diese nicht schon im Anfangsstadium entfernt werden können, wird das Tier weiterhin fressen, solange es keine Schmerzen empfindet (sh. auch Tumore) Warum also soll es nicht mehr leben dürfen?

Bei Ratten treten auch manchmal Lähmungen der Hinterbeine auf (Ursache hierfür ist möglicherweise eine Entzündung im Bereich des Rückenmarks). Wenn man sieht, dass solche Tiere immer noch Anteil nehmen an ihrer Umgebung(was sie auch fast immer tun) und weiterhin fressen, dann besteht ebenso keine Veranlassung, sie n i c h t bei uns zu lassen. Man kann sie dann mit etwas älteren Tieren vergesellschaften, die die betroffenen Ratten durch ihr schon ruhigeres Wesen nicht "belästigen" können. Bei nur ganz wenigen Krankheiten (z. B. der Schilddrüse), kann es vorkommen, dass eine Ratte regelrecht freßsüchtig wird (und trotzdem krank ist), doch sind diese wirklich sehr selten.

Es braucht auch niemand Angst haben, dass seine Ratte ihm ihre Gesundheit nur "vorspielt" (auch diese Vermutung habe ich schon gehört)."Fähigkeiten" dieser Art hat nur die Spezies Mensch. Wenn eine Ratte nicht mehr in der Lage ist zu fressen, dann kann sie es auch nicht mehr. Nahrungsaufnahme ist für jedes Lebewesen ein elementares Grundbedürfnis. Ich glaube daher, wenn dies nicht mehr möglich ist, dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem der Mensch, der gerade jetzt auch für das Tier verantwortlich ist, die letzte Entscheidung treffen muss.

Es gilt jedoch zu unterscheiden, ob eine Ratte durch einen akuten Krankheitsverlauf nur "momentan" nicht in der Lage ist, selbständig Nahrung aufzunehmen, oder so schwer erkrankt ist, dass selbst durch eine vorübergehende Ernährung mittels Spritze in der "Krankenstation" keine Besserung zu erwarten ist. Im letzteren Fall ist eine schmerzfreie Euthanasie durch den Tierarzt unumgänglich.

Ausgelöst durch eine neurologische Erkrankung oder z. B. durch einen Schlaganfall kann eine Ratte in ein - dem Menschen vergleichbares - "Wachkoma" fallen. Zunächst ist durchaus der Versuch einer medikamentösen Behandlung angezeigt und es sollte einige Tage abgewartet werden, ob sich der Zustand möglicherweise wieder verbessert. Da die Ratte währenddessen selbständig keine Nahrung aufnehmen kann, muss sie, wie bereits erwähnt, mittels Spritze ernährt werden, damit sie nicht verhungert (es muss darauf geachtet werden, dass die Ratte Kot und Urin absetzen kann). Tritt keinerlei Verbesserung, bzw. gar eine Verschlechterung ein und ist die Ratte nicht mehr in der Lage, den ihr mittels Spritze angebotenen Brei aufzunehmen, sollte sie unbedingt euthanasiert werden!

Kann keine Nahrung mehr zugeführt werden kann, kommt es zu Energiemangel, der wiederum zu Unterernährung führt. Bevor jedoch der Tod eintritt, kommt es zunächst zu Ausfallerscheinungen im Gehirn, da dieses Organ am meisten Energie braucht. Danach treten schmerzhafte Herzmuskelkrämpfe auf, etwa vergleichbar mit einem Herzinfarkt. Es liegt also in den Händen des Rattenhalters, sein Tier, auch wenn es sich in einer Art "Dämmerzustand" befindet, vor unnötigen Schmerzen zu bewahren und nicht auf einen "natürlichen" Tod zu warten!

Der "natürliche Tod" kann etwas vom Schlimmsten sein, das man einem Tier antun kann. Es ist der große Vorteil der Veterinärmedizin, dass ein Tierarzt dem Leiden ein Ende setzen kann und niemand zusehen muss, wie ein Tier unter Qualen stirbt. Es ist immer schwer, die richtige Entscheidung zu treffen, weil die Anzeichen oft nur minimal sind, da Ratten genetisch darauf getrimmt sind, möglichst wenig zu Zeigen, wenn sie krank sind. Das Raubtier wird immer zuerst ein krankes Beutetier angreifen, da es einfach zu töten ist. Die Ratte versucht also, so lange wie möglich gesund auszusehen, damit sie länger überlebt. (1. Hilfe)

Es gibt natürlich Krankheiten, bei denen das Tier nichts spürt und es einfach einschläft. Dem Tierarzt wird dann berichtet: "Es war vollkommen gesund und am nächsten Morgen war es tot". Das ist jedoch in der Regel eher die Ausnahme. Ratten können dennoch sehr zäh sein und sich auch von schweren Krankheiten wieder erholen. Ich konnte dies selbst an einigen meiner schwerst kranken Ratten beobachten. Dennoch ist und bleibt es sehr schwer, genau zu sagen, wann ein Fall hoffnungslos ist. Deshalb muss jeder Einzelfall, jede kranke Ratte individuell beurteilt werden.

Leider gibt es immer wieder Tierhalter, denen ein krankes Tier zuviele Umstände bereitet und die es so schnell wie möglich euthansiert haben wollen. Das ist besonders traurig, denn es sollte uns eine moralische Verpflichtung sein, unseren Tieren auch in Krankheit und Not beizustehen, haben sie uns doch ihr Leben lang so viel Freude bereitet. Aber auch genauso häufig gibt es Menschen, die sehr an ihren Tieren hängen, die Angst haben, ein Tier zu früh zu euthanasieren, da es sich ja nochmals erholen könnte.

Wer sein Tier liebt,wird ihm in seiner schwersten Stunde beistehen und es nicht unnötig quälen, wenn die Krankheit nicht mehr heilbar ist. Es bleibt eine schwere Entscheidung, die individuell zu treffen ist und sehr genau überlegt werden sollte, denn sie kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Wir alle wissen, wie schwer der Abschied fällt. Aber denken wir daran, wenn ein geliebtes Tier den Weg über die Regenbogenbrücke gegangen ist:

"Nicht die Anzahl der Tage die ein Tier gelebt hat zählt, sondern die Spuren, die es in unserem Herzen hinterlassen hat".

Hoffentlich stößt sich niemand daran, dass ich über dieses traurige Thema eventuell zu emotionslos schreibem (wie ich aber sicher nicht fühle). Gerade bei dieser Entscheidung sollte man versuchen, seine Emotionen in den Griff zubekommen, um im Sinne des Tieres richtig handeln zu können.

Aus diesem Grund bitte ich darum, auch nachstehende Erläuterungen möglichst sachlich aufzufassen.

Wenn eine Ratte so krank ist, dass keine Heilung oder Besserung ihrer (schweren) Krankheit zu erwarten ist, dann darf der Rattenhalter nicht zögern und sollte sein Tier auf seinem letzten Weg begleiten um Abschied zu nehmen.

Welche "Methode" ist nun für die Ratte am wenigsten belastend und schmerzfrei? Mir wurde öfter berichtet, dass todkranke Tiere in den letzten Minuten ihres Lebens während der Euthanasie noch unnötig Stress und Schmerzen erdulden mußten. Für die Ratte und auch ihren Menschen gewiss eine enorme Belastung, wünscht sich doch jeder für sein geliebtes Tier einen schmerzfreien, sanften Tod. Jeder Rattenhalter sollte sich deshalb bereits zu Lebzeiten seines Tieres beim Tierarzt seiner Wahl erkundigen, wie er die Euthanasie durchführt.

Eine geeignete Methode ist die Injektion eines Barbiturates, das normalerweise in die Bauchhöhle injiziert wird. Einer wachen Ratte sollte niemals direkt ins Herz gespritzt werden!!

Viele Ratten haben noch nie eine Spritze bekommen, sind totkrank, kommen in eine ungewohnte Umgebung mit fremden Gerüchen und fremden Menschen. Plötzlich werden sie festgehalten, zappeln womöglich beim Einstich, schreien aus Angst oder/und Schmerz. So muss und darf eine Euthanasie nicht ablaufen, denn unsere Ratten sollten weder Angst haben noch unter Stress stehen, oder gar in den letzten Sekunden ihres Lebens Schmerzen haben, deshalb ist es wichtig, dass der Tierarzt eine schonende Methode anwendet!

Es sollte eine "sanfte" Methode gewählt werden, z. B. eine Induktion mit einem Inhalationsanesthetikum (z.B. Isofluran) in einer Anaesthesiekammer. Diese Art der Euthanasie ist weitaus schonender als eine (reine) Injektion. Die Narkose kann dann vertieft werden, bis das Tier tot ist, oder der schlafenden Ratte kann Barbiturat in die Bauchhöhle oder ins Herz gespritzt werden.

Dabei verspürt die Ratte dann absolut keinen Schmerz mehr. Allenfalls steht sie nur sehr kurz unter Stress oder Angst, wenn sie in die Induktionskammer gelegt wird. Dem kann aber auch vorgebeugt werden. Der Tierarzt kann der Ratte vor der Euthanasie eine Beruhigungsspritze geben, wobei hier jedoch bereits Stress durch den Einstich und das unter Umständen ungewohnte Handling entstehen kann, oder aber der Rattenhalter kann seiner Ratte ein Mittel in Pastenform verabreichen (gegen Reisekrankheiten bei Hunden), die das Tier schläfrig machen. Sofern die Ratte noch in der Lage ist, eine kleine Menge Nahrung aufzunehmen, kann ihr diese Paste 15 Minuten vorher gegeben werden (mit dem Tierarzt absprechen).

Rattenhalter berichten mir hin und wieder, dass ihre Ratten kurz nach der Euthanasie durch den Tierarzt Krämpfe haben und stellen die Frage, hat mein Tier dann noch Schmerzen, nimmt es noch etwas bewusst wahr?

Wenn die Euthanasie korrekt erfolgt ist (wie beschrieben), dann handelt es sich um Muskelzuckungen. Das Gehirn steuert Muskelbewegungen. Es regt also nicht nur Kontraktionen an, es unterdrückt auch "Fehlkontraktionen" die durch lokale elektrische Entladungen hervorgerufen werden (diese funktionieren ähnlich wie der Schrittmacher im Herzen). Ist die Kontrolle des Gehirns ausgeschaltet (Narkose, Euthanasie) so fällt diese Kontrolle weg und gewisse Muskeln beginnen selbständig zu Zucken. Diese Zuckungen können mehrere Stunden andauern. Sie sind ein Zeichen, dass das Hirn ausgeschaltet und somit auch kein Bewusstsein mehr vorhanden ist.

Völlig ungeeignet für eine Euthanasie sind:

Äther, Strichnin und Chloroform,

sowie "mechanische" Methoden, die ich hier wegen ihrer Grausamkeit nicht aufzählen möchte.

Eine korrekte, schmerzfreie Euthanasie kann und darf nur von einem ausgebildeten Tierarzt durchgeführt werden!! Alles andere wäre ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.

Sektion

Stirbt eine Ratte einen "plötzlichen" und unerklärlichen Tod, ohne dass vorher erkennbare Krankheitssymptome erkennbar waren, kann der Rattenhalter die Todesursache eventuell durch eine Sektion feststellen lassen. Dies wäre dann empfehlenswert, wenn der Verdacht auf eine ansteckende Krankheit besteht, damit weitere Tiere vor einer Ansteckung geschützt, bzw. rechtzeitig und mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden können.

Nach dem Tod der Ratte ist der kleine Körper nach 12 Stunden Raumtemperatur schon sehr stark autolytisch (selbstzersetzt), so dass eine pathologische Untersuchung kaum mehr möglich ist. Schon nach wenigen Stunden können Darmprobleme nicht mehr festgestellt werden, da sie durch die Zersetzung bereits überdeckt werden. Bakterien vom Darm wandern innerhalb von 1 bis 2 Stunden in die Organe ein und der Nachweis einer bakteriellen Infektion ist nicht mehr möglich.

Soll eine Ratte seziert werden, muss sie so schnell wie möglich in den Kühlschrank gelegt werden. Da kaltes Wasser die Isolationskapazität des Felles verringert, ist es ratsam, die tote Ratte nass zu machen und in einem Kunststoffbeutel fest verschlossen aufzubewahren. Da Parasiten meist tote Tiere verlassen, ist sichergestellt, dass diese bei der Untersuchung noch nachgewiesen werden können, sofern Parasitenbefall vorlag.

Der Körper darf auf keinen Fall eingefroren werden, da die Eiskristalle die Zellen zum Platzen bringen, was den Zerfall der Organstruktur nur noch beschleunigt. Eine mikroskopische Untersuchung von gefrorenem Gewebe ist nicht mehr möglich. Nach der Ankunft im Labor werden die Kadaver zwar im Kühlschrank gelagert, wo sich die Zersetzung verlangsamt, das eigentliche Problem ist jedoch meist der Transportweg ins Labor, auf welchem sich die Zersetzung fortsetzt. Dazu kommt, dass auch die Pathologen spezialisiert sind auf bestimmte Tierarten. Wenn einer wenig von Ratten versteht, so ist es schwer, eine richtige Diagnose zu stellen. Die Erfolgschancen fuer die Sektion einer Ratte sind immer noch am größten, schickt der Tierarzt das tote Tier an ein Speziallabor für Versuchstierhaltung.

Die Totenstarre tritt relativ rasch ein, generell nach 15 bis 20 Minuten, das ist jedoch unter anderem abhängig von der Raumtemperatur, vom Adrenalingehalt im Blut und vom Traubenzuckergehalt in der Muskulatur. Diese erste Starre löst sich nach etwa 1 bis 2 Stunden (ebenfalls abhängig von o. g. Faktoren). Leiden Ratten vor ihrem Tod verstärkt unter Stress, kann das den Eintritt der Totenstarre hinauszögern. Tritt ein "natürlicher" Tod ein, oder ging diesem eine milde Euthanasie voraus, kann die Totenstarre unter Umständen bereits nach 5 Minuten einsetzen, um sich nach 4 bis 5 Stunden wieder zu entkrampfen. Nach 7 bis 8 Stunden ist dann eine anhaltende Starre erreicht. Bei Ratten sieht man nach dem Tod eine Verfärbung der (hellen) Krallen. Das Blut versackt in den Zehen, dadurch erscheinen die Krallen dunkel (etwa vergleichbar mit Todesflecken beim Menschen).